Interview: Armin Scharf
Fotos: mydoobe
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mydoobe ERFOLGSGESCHICHTEN
Intelligenz für die türklingel

Immer mal wieder fragt man sich, weshalb es für bestimmte, oft banale Probleme keine Lösungen gibt. Zumindest die gerne mal überhörte Türklingel lässt sich von der Liste streichen: mydoobe entwickelt eine KI-basierte, einfache Option und setzt von vornherein auf Design.

Es klingelt. Und nochmals. Leider höre ich es nicht, weil ich gerade im Keller bin, also ziemlich weit weg vom Akustikgeber. Das ist ärgerlich, denn der Bote mit der dringend benötigten Festplatte steht draußen – und zieht natürlich wieder ab. Mit „mydoobe“ wäre das nicht passiert, sagt Jan Pleis, Geschäftsführer und Mitgründer der Your Home Guides GmbH im ostfriesischen Leer. Das Start-up entwickelt eine Hard-Software-Kombination, die einfach zu installieren ist und die akustische Signatur der Klingel erkennt, um sogleich eine Nachricht an Smartphone & Co. zu senden. Eine nützliche Sache, die kurz vor dem Markteintritt steht. Und damit das erfolgreich abläuft, hat Phoenix Design sich der Gestaltung des neuartigen Devices angenommen.
 
 

Herr Pleis, mal ganz simpel gefragt: gibt es denn wirklich einen Markt für Türklingel-Erweiterungen?

JAN PLEIS: Ja, absolut. Weltweit dürfte es rund 2,2 Milliarden Türklingeln geben, nur ein Bruchteil ist derzeit mit einem Smartphone verbunden. Mindestens 1,6 Milliarden Haushalte lassen sich nicht oder nur sehr kostenintensiv auf eine smarte Videotürklingel aufrüsten, weil sich diese oftmals in Mehrfamilienhäuser befinden. Viele Menschen belassen es bei ihrer bestehenden Klingel, da sie keine baulichen oder technischen Veränderungen vornehmen möchten oder dürfen. Tatsächlich findet man immer häufiger Zweit- oder sogar Drittklingeln mit Beschriftungen wie „Meyer Garten“ oder „Schmidt Balkon“, die sicherstellen sollen, dass das Klingeln immer zuverlässig wahrgenommen wird. Egal, ob in Deutschland, den Niederlanden oder den USA – diese improvisierten Ansätze sind ein globales Phänomen, das nicht mehr ins Jahr 2025 passt. Übrigens: zehn Prozent aller Paketzustellungen in Europa scheitern, obwohl jemand zu Hause ist.
 


Das Team von „mydoobe“ bestehend aus: v.l.n.r. Wladislaw Martaler, Hagen Jeager (Mitgründer, CTO) und Jan Pleis (Mitgründer, CEO), Melanie Raveling und Jonas Hülper
 

Das hat vermutlich schon jeder mal erlebt. Wie lösen Sie denn das Problem?

JAN PLEIS: In vielerlei Hinsicht ist die Türklingel wie die gute alte SMS. Mit „mydoobe“ heben wir sie sozusagen auf ein WhatsApp-Niveau – wir bieten eine digitale Schnittstelle für jede Türklingel der Welt. Ich sage mal so: „mydoobe“ wird langfristig ein Standard werden, wie es die Türklingel in den letzten 200 Jahren war und ist – wir setzen diese Geschichte fort. Das ist auch einer der Gründe, warum wir „mydoobe“ zum Patent angemeldet haben.
 

Aha. Und wie läuft das konkret?

JAN PLEIS: „mydoobe“ verleiht bestehenden Türklingelsystemen Intelligenz, ohne dass strukturelle Änderungen erforderlich sind, ohne Bohren, Aufschrauben, Verdrahten, Kleben oder Batteriewechsel. Es nutzt moderne Technologien wie KI-basiertes maschinelles Lernen, erstellt akustische Fingerprints und sendet Benachrichtigungen direkt auf Smartphones, Smartwatches und andere Geräte. „mydoobe“ ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „Brückentechnologie“ – sie verbindet Türklingeln, egal ob sie 200 Jahre alt sind oder erst gestern gekauft wurden, nahtlos mit allen digitalen Geräten in unserem Leben. Stellen Sie sich vor: Ihre smarte Musikanlage stoppt die Wiedergabe und teilt Ihnen mit, dass jemand an der Tür steht.
 


„mydoobe“ lässt sich mühelos installieren und dient als Brücke zwischen jeder Türklingel und deinem Smartphone.
 

Das heißt, „mydoobe“ detektiert akustische informationen – findet die Verarbeitung dieser Akustik-Daten lokal statt?

JAN PLEIS: Ja, ausschließlich lokal. „mydoobe“ erstellt einen akustischen Fingerprint der Türklingel und erkennt dann deren spezifische akustische Signatur. Audiodaten verlassen „mydoobe“ nie – das entspricht unserem Ansatz „Privatheit durch Design“.
 

Könnte „mydoobe“ auch genutzt werden, um andere Geräusche zu detektieren und entsprechende Aktionen einzuleiten?

JAN PLEIS: Absolut. Denken Sie nur an Rauchmelder – „mydoobe“ macht jeden intelligent und verbindet ihn mit dem Smartphone. Gleiches gilt für die Zugangserkennung in einem Geschäft. Künftig könnte ein Apotheker eine Nachricht über sein Smartphone erhalten, wenn jemand sein Geschäft betritt, während er im Lager oder Büro ist.
 


„mydoobe“ ist in nur zwei Minuten ohne bauliche Veränderungen installiert.
 

Produzieren Sie die Geräte selbst?

JAN PLEIS: „mydoobe“ ist derzeit noch nicht auf dem Markt erhältlich. Das Rollout wird 24 Monate nach dem Abschluss unserer Finanzierungsrunde sein. Wir werden „mydoobe“ nicht komplett selbst herstellen – das kann ich schon verraten. Wir nutzen Partner in Deutschland und Europa, beispielsweise LMB Kunststofftechnik – ein Unternehmen, das nur wenige Kilometer von unserem Firmensitz in Leer entfernt ist.
 

Wie relevant ist es für ein Start-up, sich Unterstützung von Gestaltenden zu holen? – bzw. wie kann Design beitragen, eine Idee greifbarer zu machen und evtl. sogar Investoren zu begeistern? wichtig ist dafür ein möglichst interdisziplinäres Designteam?

JAN PLEIS: Design ist für uns von überragender Bedeutung. Da wir die Geschichte der Türklingel fortschreiben möchten, müssen wir uns intensiv mit ihrer Geschichte und Psychologie auseinandersetzen – gerade, weil sie eine Alltagstechnologie ist. „mydoobe“ ist ein Produkt einer ganz neuen Kategorie, eine Art Archetyp, wie Andreas Diefenbach von Phoenix Design sagte. Das Design muss potenzielle Investoren wie auch Nutzende ansprechen.
 

Auf welchen Ebenen der Produktentwicklung war Phoenix involviert?

JAN PLEIS: Natürlich bei der Produktgestaltung, aber auch bei der Entwicklung der Gesamtstrategie, des Brandings und des visuellen Storytellings.
 


Zu den Produktentwicklungspartnern von „mydoobe“ gehören neben PHOENIX DESIGN die LMB Kunststofftechnik und das Fraunhofer IDMT, Institutsteil Oldenburg.
 

Designleistungen sind ja nicht umsonst – hat sich das Investment aus Ihrer Sicht bisher gelohnt?

JAN PLEIS: Phoenix Design hat „Creative Capital“ in uns investiert, ist also Partner und Investor zugleich.
 

Die größte Herausforderung für Start-ups ist neben der eigentlichen Entwicklung einer Innovation deren Rollout sowie Skalierung. An welchem Punkt befinden Sie sich da gerade?

JAN PLEIS: Die Seed-Finanzierungsrunde, in der wir uns befinden, ist in Deutschland, besonders im B2C-Bereich, eine große Herausforderung. In Deutschland etwas anderes als B2B-Software zu entwickeln, reduziert den Kreis potenzieller Investoren drastisch. Das ist ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Problem – Deutschland benötigt mehr Technologie- und Hardware-Start-ups, die Endkunden sowie die Industrie adressieren. Es gibt leider zu wenige offene und mutige Investoren.
 

Blicken wir nach vorne – was sagt der Plan für die nächsten Jahre?

JAN PLEIS: Unsere Technologie kann noch an vielen weiteren Stellen genutzt werden, um neue Schnittstellen zu unserer akustischen Realität zu öffnen. Leider kann ich nicht mehr darüber erzählen, sonst bekomme ich Probleme mit unserem Patentanwalt – und der hat über Jahre hinweg mit Steve Jobs zusammengearbeitet. Also lasse ich das lieber.
 
 

MYDOOBE

mydoobe ist eine Marke der Your Home Guides GmbH im ostfriesischen Leer, die von Jan Pleis und Hagen Jaeger gegründet wurde. 2020 startete die Entwicklung von mydoobe, nebenberuflich und ausschließlich durch das Gründerteam finanziert. Momentan läuft eine erste SEED-Finanzierungsrunde zur Realisierung der KI-basierten Technologie. 2021 wurde ein Patent für „Vorrichtung und Verfahren zur Erkennung von akustischen Ereignissen, insbesondere akustischen Informations- und/oder Warnsignalen“ für die EU und die USA zum Patent angemeldet.

mydoobe.com