Interview: Armin Scharf
Fotos: Armin Scharf, guruXOX – stock.adobe.com, pinkeyes – stock.adobe.com
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Vangerow GmbH INTERVIEW
das röhrenradio als reparaturvorbild

Wenn Geräte wirklich langlebig sein sollen, dann müssen sie reparierbar sein – und von vornherein so konzipiert werden. Das ist meist nicht gegeben, sagt Reparaturprofi Steffen Vangerow.

Aber es gibt sie noch, die meist kleinen Unternehmen, die sich der kaputten Smartphones, Waschmaschinen, Thermomixe und Röhrenradios annehmen. Zu den zentralen Playern in Sachen Reparatur gehört die Vangerow GmbH mit Steffen Vangerow, der sich in der dritten Generation mit dem Instandsetzen von Elektrogeräten beschäftigt und sich unter anderem im Vorstand des „Runden Tisch Reparatur“ für das Recht auf Reparatur einsetzt. Steffen Vangerow ist ein begehrter Interviewpartner – am Tag nach unserem Interview schaut das SWR-Fernsehen vorbei, um einen Marktcheck abzudrehen.
 
 
 

Steffen Vangerow, einer der drei Geschäftsführer der Vangerow GmbH
 

Ihre Liste Ihres Reparaturangebots ist ziemlich lang.

STEFFEN VANGEROW: Ja, wir reparieren eigentlich alles. Nicht unbedingt hier im Haus, einiges übernehmen die Partnerinnen und Partner unseres bundesweiten Netzwerks mit knapp 1000 Werkstätten. Hier erledigen wir zum einen Weißware-Garantiereparaturen für einen großen Hersteller und bedienen Endkundinnen und Endkunden im so genannten Nachgarantiebereich. Dazu gehören Staubsaugroboter, Kühlschränke, Kaffeevollautomaten, Thermomixe oder Smartphones.
 

Aha, das Phänomen „Thermomix“.

STEFFEN VANGEROW: Diese Geräte können wir tatsächlich gut und sehr günstig reparieren, weil es nur wenige unterschiedliche Modelle gibt, die recht ähnlich aufgebaut sind. So können wir auf Bauteilebene reparieren, wir tauschen einzelne defekte Kondensatoren oder Widerstände aus. Ab einer bestimmten Stückzahl lohnt es sich, ins Detail zu gehen.
 

Angesichts des wachsenden Zoos an Elektrogeräten, mit dem wir uns umgeben, dürften Sie genug zu tun haben.

STEFFEN VANGEROW: Uns geht die Arbeit tatsächlich nicht aus. Es gibt eher mehr Arbeit, aber immer weniger Arbeiterinnen und Arbeiter auf der anderen Seite. Der Fachkräftemangel wird unsere Branche in den nächsten Jahren gewaltig treffen, weil in der Vergangenheit zu wenig ausgebildet wurde.
 

Gibt es Dinge, die Sie nicht reparieren?

STEFFEN VANGEROW: Das ist meist eine Frage der Wirtschaftlichkeit – für die Kundinnen und Kunden, aber auch für uns. In der Regel sollte man mit Mindestkosten um die 80 Euro rechnen, selbst wenn nur Kleinigkeiten defekt sind. Bei billigen Geräten rechnet sich das dann oft nicht für die Kundinnen und Kunden. Zumal es Herstellerinnen und Hersteller gibt, von denen wir keine Ersatzteile bekommen oder Gehäuse nicht öffnen können. Besonders bei Geräten, die wir nur ganz selten hereinbekommen wird es schnell schwierig. Wir konkurrieren kostenmäßig letztlich immer mit dem Fließband in China.

Hat sich die Reparierbarkeit in letzter Zeit verändert?

STEFFEN VANGEROW: Grundsätzlich ist sie ähnlich geblieben. Wir nehmen auch Röhrenradios aus den 1950er Jahren an, die nach wie vor sehr gut reparierbar sind. Deren Bauteile sind viel größer, man kommt in der Regel gut ran, kann besser messen, die Komponenten einfacher tauschen, die Logik und die ganze Verschaltung ist sichtbar. Wenn wir ein Röhrenradio öffnen, da fällt uns meist der Schaltplan entgegen. Diese Unterlagen bekommen wir für moderne Geräte gar nicht mehr. Und weil damals Standardteile genutzt wurden, sind die heute noch erhältlich. Heute ist nichts mehr Standard, was uns die Arbeit ziemlich erschwert. 

Parallel dazu ist der Bezug zur Reparatur ein anderer. Ein Röhrenradio kostete mal zwei oder drei Monatsgehälter, also war die Reparatur normal. Bei heutigen Billigprodukten denkt niemand über Reparatur nach.
 


Ein sehr gut reparierbares Röhrenradio aus den 1950er Jahren.
 

Die konkrete Arbeit hat sich also für Sie stark verändert. Welche Kompetenzen sind gefragt?

STEFFEN VANGEROW: Die Schaltungen funktionieren heute zwar genauso wie vor 70 Jahren, aber bei aktuellen Geräten haben wir es mit Mikro-Bauteilen zu tun, die wir mit ganz anderen Verfahren prüfen und tauschen müssen. Gefragt bei uns sind zwei Ausbildungsberufe, der Informationselektroniker und der Elektriker, beziehungsweise die Elektrikerin. Vom technischen Know-how passt der Informationselektroniker am besten.
 

Was bremst die Reparierbarkeit hauptsächlich aus?

STEFFEN VANGEROW: Fehlende Informationen wie Schaltpläne, Ersatzteillisten. Oder Hinweise, wie Geräte gut zu öffnen sind, wo Clipse und versteckte Schrauben stecken. Immer wichtiger wird auch das Thema „Software“. Da geht es um das Löschen von Fehlerspeichern, um das Lösen von Blockaden, das Anlernen und Kalibrieren von Ersatzteilen. Nicht zu vergessen die schon erwähnte Wirtschaftlichkeit, die sich über die Neugerätekosten sowie die Preise und Verfügbarkeit von Ersatzteilen definiert.
 

Um reparieren zu können, braucht es Ersatzteile. Die vorzuhalten, ist teuer.

STEFFEN VANGEROW: Diesen Einwand hören wir von den Herstellenden immer wieder. Ersatzteile kann man aber nachproduzieren, besonders dann, wenn man sich auf Standards konzentriert. Wenn ich als Herstellerin oder Hersteller jede Spülmaschine mit einer andern Laugenpumpen ausstatte, habe ich ein Problem, das ist klar. Verbaue ich aber nur wenige Pumpenmodelle, dann wird neben der Bevorratung auch die Reparatur einfacher. Zugleich hätten es Drittanbieterinnen und Drittanbieter leichter, Ersatzteile nachzubauen, eine charmante Vorstellung, denn mit steigenden Stückzahlen werden die Teile günstiger.
 

Kann das Design Einfluss auf das Reparieren nehmen?

STEFFEN VANGEROW: Theoretisch sind viele Möglichkeiten da. Das fängt an bei Serviceklappen, der Nutzung von Verschraubungen statt Verklebungen oder Clipsen. Die Herausforderung ist, all dies auch im günstigen Preissegement umzusetzen – oder den Nutzenden gar eine Selbstreparatur zu ermöglichen. Man kann auch weiterdenken, also durch Gestaltung die Effizienz der Reparatur steigern. Ein Beispiel: Es wäre möglich, Baugruppen so zusammenzufassen, dass ich sie mit wenigen Handgriffen vor Ort auswechseln kann. Das defekte Element kann ich dann in der Werkstatt sicher reparieren und dann wieder tauschen.

Im Austausch mit Designern des VDID, die uns hier kürzlich besucht haben, hörte ich aber heraus, dass die Designräume in der Produktentwicklung sehr eingeschränkt sind. Ich glaube aber, dass sich heute und künftig ein Markt für Herstellende auftut, die sich die Reparatur auf die Fahne schreiben. Da gibt es ja auch schon einige Beispiele. Es gibt Herstellerinnen und Hersteller, die über 10, sogar 15 Jahre die Ersatzteilverfügbarkeit garantieren, dann können wir günstig reparieren.
 


Bei der Reparatur eines Smartphones.
 

2026 soll eine neue EU-Verordnung das „Right to Repair“ verankern. Wird dann alles gut?

STEFFEN VANGEROW: Für mich klingt die Verordnung zunächst gut, sie berücksichtigt viele richtige und wichtige Punkte. Allerdings spart sie das Thema der Ersatzteilpreise aus, das halte ich für ein großes Manko. Ich hätte mir sogar für einen bestimmten Zeitraum kostenlose Ersatzteile gewünscht. Aber wir haben als Verein viele gute Punkte erreicht, zum Beispiel sind Reparaturblockaden auf Software-Ebene in Zukunft verboten, genauso Ersatzteilblockaden. Ich bin gespannt, was sich die Herstellenden einfallen lassen, um das alles zu umgehen: Es ist nämlich nicht untersagt, Ersatzteile so zu konzipieren, dass niemand in der Lage ist, sie nachzuproduzieren. Wenn ich die Pumpe einer Waschmaschine künftig in drei statt in sieben Minuten tauschen kann, ist das natürlich gut. Kostet die Pumpe aber 1000 Euro, ist die Maschine nicht reparierbar, weil sie neu nur 500 Euro gekostet hat.
 

Die Kosten von Ersatzteilen sind also entscheidend?

STEFFEN VANGEROW: Reparaturen würden sich mit kostenfreien Ersatzteilen fast immer lohnen. Der Herstellende hätte dann das Interesse, Geräte wirklich langlebig zu bauen und Ersatzteile zu standardisieren, damit die Bevorratung nicht zu teuer wird. Wenn wir von der Wegwerfgesellschaft zur Reparaturgesellschaft kommen wollen, dann brauchen wir den Wettbewerb auf Ersatzteilebene.
 

Wie sinnvoll ist ein Reparatur-Label wie es in Frankreich existiert?

STEFFEN VANGEROW: Das halte ich nicht für besonders hilfreich. Ab 2026 wird es wohl auch ein ähnliches Label auf EU-Ebene geben. Das wird zwar als Reparierbarkeits-Score bezeichnet, ist in meinen Augen aber völlig irreführend. Denn es geht dabei primär um die Zerlegbarkeit, die echte Reparierbarkeit bleibt außen vor. Diese in einem standardisierten Bewertungsprozess abzubilden, ist allerdings auch sehr schwierig. So lässt sich der Ersatzteilpreis ja kaum absehen, wenn das Teil frühestens in einigen Jahren benötigt wird. Für mich sieht das wie eine neu Marketing-Möglichkeit aus, die nur den Herstellerinnen und Hersteller hilft. Die Labels funktionieren leider meist nicht.
 

Was also ist für eine Reparatur aus Ihrer Sicht notwendig?

STEFFEN VANGEROW: Eine direkte Service-Hotline, die schnelle und günstige Verfügbarkeit von Ersatzteilen sowie Standard-Bauteile. Es geht nicht darum, wie oft ich den Schraubendreher ansetzen muss, wie viele Schraubschritte notwendig sind.
 

Vangerow GmbH


Die Vangerow GmbH wurde 1958 gegründet, 1995 wurde das mittelständische Familienunternehmens in Reutlingen-Mittelstadt umstrukturiert. Vangerow ist einer der Vorreiter für eine bessere Reparatur und wurde 2019 für den Bundespreis „Ecodesign“ nominiert – wegen des Reparatur- und Modernisierungsangebotes von Röhrenradios. Aktuell arbeiten 30 Menschen im Unternehmen, mit 1000 anderen Werkstätten wird kooperiert. Steffen Vangerow, ist Informationselektroniker, Betriebswirt und einer von drei Geschäftsführern der Vangerow GmbH.

vangerow.de