Interview: Armin Scharf | Fotos: Ettlin Lux, Wolf-Dieter Gericke, Nikolay Kazakov

Licht trifft Textil

Ettlin, 1836 als Spinnerei und Weberei in Ettlingen gegründet, war lange Zeit ein klassischer Textilhersteller. Heute ist das Unternehmen Spezialist für technische Textilien und beispielsweise im Bereich der Schleifmittelträger ganz vorne dabei. Anfang des neuen Jahrtausends machte sich Ettlin daran, nach neuen, funktional erweiterten Anwendungsszenarien technischer Textilien zu suchen – und fand die LED. Die Kombination aus Textil und Lichtquelle ergibt erstaunliche visuelle Effekte, die dreidimensional wirken und mit den Betrachtenden interagieren. Mit der Marke Ettlin Lux baut sich die Ettlin Gruppe ein neues Geschäftsfeld auf – zunächst mit projektspezifischen Individuallösungen, inzwischen auch mit eigenständigen Produkten wie Leuchten und Wandspiegeln. Auch im Sensorik-Bereich ist Ettlin inzwischen aktiv. Die Integration elektronischer Funktionen und Komponenten ist ein neues Feld, mit dem sich Ettlin intensiv beschäftigt.

Ein Gespräch mit Jasmina Hrustanovic, der Marketing Managerin der Ettlin Spinnerei und Weberei GmbH & Co. KG.
 
Die Verbindung textiler Strukturen mit Licht hat Ihnen ein neues Geschäftsfeld eröffnet. Wie kam es dazu?
Wir haben unsere Leuchttextilen erstmals 2010 auf zwei Messen präsentiert und dabei sehr gutes Feedback eingesammelt. Für uns als klassischen Textilhersteller war das in der Tat ein neuer Ansatz, den wir zu Beginn der 2000er-Jahre angegangen sind. Damals wurde die LED-Technik gerade relevant, was neue Möglichkeiten eröffnete, beispielsweise die visuelle Interaktion mit unseren Geweben. Eigentlich waren wir dabei, ein Gewebe zu konzipieren, das Licht diffus streut. Dabei entdeckten wir einen interessanten Effekt: Bei der Hinterleuchtung entstand eine faszinierende Tiefenwirkung.
 
Wie kommt es zu dieser dreidimensionalen Wirkung?
Wir arbeiten mit LEDs, die flächig oder in Streifen auf einer Rückplatte montiert werden. In einem Abstand von mindestens zwei Zentimetern spannen wir dann unsere Textilien einlagig davor. Die Lichtpunkte der LEDs werden dann bogenförmig durch das Gewebe gestreut, wobei der Lichteffekt sanft ausläuft. Je nach Ausrichtung des Gewebes lässt sich der Effekt variieren. Und bleibt das Licht aus, so haben wir eine sehr ansprechende textile Oberfläche, die auch akustisch wirksam ist. Decolux ist unser Universal-Gewebe, das in Weiß, Hellgrau und Schwarz zu haben ist. Weil bedruckbar, lässt es sich zusätzlich individualisieren. Nebenbei entspricht es der Brandschutzklasse B1, was für Interieur-Planungen ja nicht unwichtig ist. Und momentan stehen wir kurz vor der Markteinführung einer Gewebevariante mit Luftreinigungsfunktion.
Mit der Marke Ettlin Lux sind Sie zu einem Produkt-Hersteller geworden. War das ein großer Schritt für Sie?
Wir kommen vom Projektgeschäft, entwickeln also zusammen mit Planern individuelle Lösungen und setzen diese dann auch montagegerecht um. Mit den Ambiloom-Wandspiegeln bieten wir erstmals Serienprodukte an, die ganz andere Anforderungen stellen, etwa hinsichtlich ihrer Funktionalitäten. Hier wie bei den Leuchten kooperieren wir eng mit Partnern, deren spezifische Kompetenzen wir so zusammenführen, dass ein Produkt entsteht. Das ist in der Tat ein neues Geschäftsmodell. Waren wir immer auf den B2B-Markt ausgerichtet, so sind wir mit den Spiegeln und Leuchten nun auch für Endkunden offen.
 
Die Wandspiegel sind auf den ersten Blick sehr schlicht. Erst wenn die internen LEDs aktiviert sind, zeigt sich das eigentliche Feature.
Ist die Hinterleuchtung aktiv, dann haben wir eine ambiente Lichtquelle mit dem schon beschriebenen dreidimensionalen Effekt. Dieser Blickfang findet besonders viel Anklang in Hotels, Restaurants oder im Retail. Wir entwickeln gerade zwei weitere Spiegelvarianten, die ab Herbst im Programm sein werden.
 

Foto: Nikolay Kazakov
Würden Sie Ettlin Lux eher als technik- oder designgetrieben bezeichnen?
Wir kommen aus dem Bereich technischer Textilien, insofern sehe ich unser Unternehmen zunächst als technikgetrieben. Doch das Design ist inzwischen fast genauso stark gewichtet. Im Entwicklungsteam arbeitet neben einer Innenarchitektin auch ein Designer. Beide sind bei der Konzeption neuer Produkte genauso involviert wie bei der Auswahl von Zulieferern.
 
Welche Rolle spielen externe Designerinnen oder Designer?
Wir tasten uns da gerade heran und bauen Kontakte auf, auch dank des Design Centers, das uns beim Vorgehen beraten hat. Prinzipiell können wir uns vorstellen, zusammen mit externen Designbüros und unserem Inhouse-Design neue, spannende Ideen umzusetzen.
 
Sie haben vorher projektspezifische Entwicklungen genannt – wie laufen diese ab?
Eigentlich ganz klassisch. Wir bekommen Anfragen von Planern oder Bauherren, oft werden wir von Lichtdesignern, die uns inzwischen kennen, empfohlen. Es geht ja immer darum, besondere visuelle Elemente im Raum zu schaffen. Wir visualisieren zunächst, wie Leuchten, Rahmen oder Spiegel im Raum wirken und binden die Planer dabei ein. Die Installation vor Ort übernehmen dann Firmen vor Ort.
 
Das alles hört sich nach einem Ausbau des Portfolios an.
Ja, wir arbeiten daran. Die beiden neuen Wandspiegel habe ich ja schon erwähnt. Zeitgleich entsteht eine neue Leuchte im internen Team. Neben dem Decolux-Gewebe gibt es auch noch das Mood-Textil, das in Glas oder Acryl einlaminiert wird und einen eher technisch anmutenden und weniger verspielten Lichteffekt produziert. Und weil wir das Textil beschichten können, lässt sich die Optik nochmals variieren. Wir haben also viel Potenzial.

Foto: Ettlin Lux, Nikolay Kazakov

2017 haben Sie für die Stuttgarter Künstlerin Rosalie eine faszinierende Installation in der Elbphilharmonie realisiert. Wie wichtig war das?
Sehr, denn wir können da demonstrieren, welche Möglichkeiten unsere Textilien bieten, auch was die Größe betrifft. Die abgehängten Paneele waren zwölf Meter hoch, mit Decolux ausgestattet und von RGB-LEDs illuminiert. Das zusammen ermöglichte dynamische Lichtstrukturen, die die „Sinfonie der Tausend“ in Licht und Farbe interpretierten.
 
Neben dem Licht beschäftigen Sie sich auch intensiv mit Sensorik-Themen.
Ja, wir bedienen mit leitfähigen Textilien ganz unterschiedliche Funktionalitäten. Wir können sie als Basis sowohl für Mess-Systeme nutzen, für Oberflächenheizungen, aber auch als Datenleitung. Mit der Hochschule Reutlingen haben wir uns in dem geförderten Projekt InBiO (Interaktive, biobasierte Oberflächen für das nutzerorientierte PKW-Interieur) engagiert. Dabei ging es darum, wie man mit textilen Substraten klassische Schalter oder Taster durch interaktive Textilelemente ersetzen kann, die bei Annäherung aktiv werden und drucksensitiv sind. Das ist für uns ein sehr interessanter Ansatz, mit dem wir unsere technologische Kompetenz ausbauen wollen.


Foto: Wolf-Dieter Gericke
 

Ettlin Spinnerei und Weberei GmbH & Co. KG

Die Ettlin Gruppe besteht heute aus den Unternehmensbereichen Ettlin Textiles, Ettlin SmartMaterials und Ettlin Immobilien. Letztere kümmert sich beispielsweise um die beiden großen Produktionsstandorte in Ettlingen und Berlin-Marienfelde, die seit den 1990er Jahren in Gewerbeparks umgewandelt wurden. Ettlin Lux ist eine Marke der Ettlin Gruppe.
www.ettlinlux.com