Lichtdesign für die Mobilitätswende

Supernova gehört zu den innovativsten Herstellern von Fahrradbeleuchtung und wurde bereits mehrfach mit dem Focus Open in Gold ausgezeichnet. Marcus Wallmeyer, der Gründer des Unternehmens, ist eigentlich Transportation Designer – und Langstreckenradler. Begonnen hat alles mit einer leeren Tomatenmarkdose.
Interview: Armin Scharf

Die Fahrradbranche ist eine ganz besondere. Sie lebt nach wie vor von leidenschaftlichen Radfahrer*innen, die selbst initiativ werden, um Lösungen für erkannte Schwachstellen zu finden.
Marcus Wallmeyer ist einer von Ihnen: Er wollte besseres Licht für das Radtraining, gründete Supernova und produziert mit heute über 50 Mitarbeiter*innen innovative – und vor allem helle – Scheinwerfer sowie Rücklichter. Außerdem ist Marcus Wallmeyer auch noch Industriedesigner.


Das Supernova-Team vor rund zwei Jahren. Inzwischen müssten einige Mitarbeiter*innen mehr auf der Rampe stehen.

Herr Wallmeyer, Sie sind Unternehmer und Designer in Person – eine interessante Doppelrolle.
Mein erstes Fahrradlicht entwickelte ich nur für mich selbst, um auch bei Nacht trainieren zu können. Supernova hatte ich bereits vor dem Start meines Designstudiums gegründet. Die Entscheidung, mich dieser Mission in Vollzeit zu widmen, fiel nach dem Studium. Die steigende Nachfrage nach den von mir in Kleinserie handgefertigten Scheinwerfer machte diesen Schritt einfach. Über die Jahre erwies es sich als sehr vorteilhaft, dass ich als Entscheider auch gleichzeitig das Design in der Hand habe. Meine Leidenschaft für Design und meine unternehmerischen Fähigkeiten ergänzen sich bis heute auf natürliche Weise.
 
Die Legende sagt, Ihr erstes Produkt basierte auf einer Konservendose. Wann war das?
So um 1995. Damals habe ich eine Tomatenmarkbüchse genutzt, um für mich einen Halogenscheinwerfer zu bauen. Man muss verstehen, wie ich damals getickt habe: Ich hatte nur Radfahren im Kopf, bin im Jahr so um die 20.000 Kilometer auf dem Rad gesessen und ernährte mich hauptsächlich von Nudeln mit Tomatensauce, entsprechend stapelten sich die leeren Konservendosen. Ich fand die eigentlich ganz cool, der Zufall wollte, dass da eine 50 mm Halogenbirne aus dem Baumarkt wunderbar reinpasste. Beim Motorradhändler habe ich mir einen sechs Kilogramm schweren Motorrad-Akku gekauft und in eine Lenkertasche gepackt. Eine total schwere Geschichte, aber ich hatte so stundenlang richtig gutes Licht und konnte damit mein Grundlagentraining durchziehen. Zum Beispiel in der Nacht vier, fünf Stunden am Rhein entlang.
 
Ein Produkt für die eigene Nutzung zu kreiern ist das eine – ein erfolgreiches Unternehmen zu formen ein ganz anderes Thema.
Die Firma ist in ganz kleinen Schritten gewachsen, bis heute übrigens eigenfinanziert. Wichtig von Beginn waren mir Robustheit, Langlebigkeit und natürlich das hellste am Markt verfügbare Leuchtmittel. Als 24-Stunden-Rennfahrer wusste ich, dass man mit dem richtigen Licht in der Nacht die gleichen Rundenzeiten wie am Tag fahren konnte, der Schweinwerfer war also wettbewerbsentscheidend. Die Kunde von meinen Scheinwerfern verbreitete sich in diesem Nischenmarkt rasant, die Nachfrage wurde international. Diese Anfangsjahre waren aber kein Zuckerschlecken, ich nahm gerade genug Geld ein, um Material für weitere Scheinwerfer einzukaufen, die ich dann im Alleingang bis spät in die Nacht hin fertigte. Die 24-Stunden-Rennen und die Nachtfahrten mit begeisterten Freunden gaben mir hierfür die Ausdauer. Nach meinem Studium zog ich aus der elterlichen Garage in Oberkirch aus und fand in der Freiburger Gegend neue Räumlichkeiten. Die Entwicklung schritt rasant voran, jedes Jahr gab es neue Produkte. Als ich 2007 den Produktmanager eines US-amerikanischen Fahrradherstellers auf dem Cape Epic Etappenrennen in Südafrika kennenlernte, dieser dann im Folgejahr 5000 Dynamo-Scheinwerfer bestellte, ging es so richtig los. Unser Umsatz wächst seitdem jährlich zwischen 30 und 50 Prozent.
 
Wie ist das machbar?
Wir arbeiten leidenschaftlich daran, technologisch immer marktführend zu sein. Wir setzten LEDs erstmals serienmäßig in Frontscheinwerfern ein. Auch Lithium-Ionen-Akkus und Fernlicht haben wir viele Jahre vor den Mitbewerbern aufgegriffen. Mittlerweile ist Supernova ein weltweit bekanntes Unternehmen, hat aber zu meiner großen Freude den dynamischen Startup-Spirit meiner Anfangszeit beibehalten. 


Integration ist ein großes Thema in der Radbranche – was das für Rücklichter bedeutet,
zeigt Supernova mit dem im Gepäckträger integrierten Rück-/Bremslicht „M99 TL2“.

Warum war die Fahrradbeleuchtung lange Zeit so funzelig?
Der armselige Status Quo wurde wohl einfach so hingenommen. Weil das für mich keine Option darstellte, habe ich es geändert und war quasi mein eigener Kunde. Diese Kundenorientierung haben wir bis heute beibehalten. Bei jeder Neuentwicklung setzen wir uns immer auch selbst aufs Rad, um das Licht zu erleben. Dabei sind selbst wir immer wieder überrascht, etwa wenn man feststellt, dass das Licht plötzlich komplett wegtaucht, wenn man mit einer Federgabel im Gelände bergab durch eine Senke fährt. Und aus der Erkenntnis, dass Kurven überhaupt nicht einsehbar sind, entstand unser Fernlicht mit besonders großem Öffnungswinkel und guter Kurvenausleuchtung.


Scheinwerfer mit Fernlichtfunktion: Der "M99 Mini Pro B54" sorgt für eine weit reichende Ausleuchtung des Weges. Besonders wichtig ist dies bei schnellen E-Bikes.

Hat die Leuchtdiode das Beleuchtungsthema einfacher oder komplizierter gemacht?
LEDs waren in der Anfangszeit noch lange nicht so hell wie unsere Gasentladungsscheinwerfer, sind aber inzwischen das Mittel der Wahl. Wichtig sind die gute Kühlung und die elektronische Ansteuerung des Systems. Auch die Berechnung der Optik, also des Reflektors, ist bei LEDs deutlich diffiziler als bei einem Glühfaden. Wir entwickeln jede Elektronik intern, unsere Elektroniker sind auch leidenschaftliche Radsportler und testen die Prototypen selbst. So sind wir agil und können schnell komplexe technische Neuerungen einführen. 
 
Was steht am Anfang einer Neuentwicklung? Die Idee, die Technik oder das Design? Und wie kommen Engineering und Design zusammen?
Am Anfang stehen die Idee und der Kundenbedarf. Wenn man ein Produkt selbst ständig nutzt, dann kommen neue Ideen von alleine. Engineering und Design harmonisch zu vereinen ist nicht immer einfach, aber unsere langjährige Erfahrung hat uns gelehrt, dass es sich lohnt, mehr Zeit und Aufwand in die Umsetzung von besonders gutem Design zu stecken. Ich habe bisher noch nie bereut, in der Entwicklung eine Extrarunde zu drehen, um ein hoch gestecktes Ziel zu erreichen. 
 
Wie wichtig war für Supernova das E-Bike?
Das E-Bike war extrem wichtig für unser Wachstum. Wir waren die ersten, die eine E-Bike-Beleuchtung angeboten haben. Die anderen hatten sich nicht darum gekümmert, vermutlich weil E-Bike-Beleuchtung von der Gesetzgebung her nicht zulässig schien: an jedem E-Bike war anfangs ein Dynamo Pflicht. Als das Gesetz angepasst wurde, haben wir sofort die Chance erkannt und bauten dank der höheren Leistungsfähigkeit des Fahrakkus noch hellere Scheinwerfer.


Eine spezielle, integrative Cockpit-Lösung mit integriertem Supernova-Scheinwerfer für ein Fahrrad des OEM-Herstellers Canyon.

Die E-Bike-Beleuchtung dürfte ein OEM-Markt sein. Welche Rolle spielt für Sie der Nachrüst-Sektor?
Beide Märkte sind ähnlich wichtig. Wir liefern an etwa 90 Prozent aller namhaften Radhersteller Scheinwerfer als Erstausstattung aus. Genauso wichtig ist aber auch der Nachrüstmarkt. Denn dort sind wir es, die im direkten Kundenkontakt oft wertvolles Feedback bekommen, das wir dann als Inspiration für unsere weitere Forschung und Entwicklung nutzen. 
 
Supernova ist ja nicht der einzige Player im Bereich der Radbeleuchtung – wie differenziert und positioniert man sich im engen Markt?
Unser Design ist besonders zeitlos und unterscheidet sich von Mitbewerberprodukten. Weil Design leider immer häufiger kopiert wird, setzen wir darauf, die beste Leistung und die höchste Zuverlässigkeit sowie den besten Service zu bieten. Damit haben wir nicht den Massenmarkt, aber es zeigt sich, dass unsere Nische immer mehr Freunde findet. Und ein in der Radbranche relativ neues Thema liegt mir schon länger am Herzen: die nachhaltige und ressourcenschonende Fertigung. Die optimieren wir schon seit Jahren stetig weiter, immer mehr Kunden honorieren das.
 
2020 war nicht nur das Corona-Jahr, sondern auch das Jahr des Bikebooms. Wie sind Sie durch 2020 gekommen?
Für uns ist 2020 das erfolgreichste Jahr mit dem bisher größten Wachstum. Wir hatten trotz Corona keine Kurzarbeit angemeldet, komplett durchgearbeitet und auf weiteres Wachstum gesetzt. Für unsere Mitarbeiter war und ist die Pandemie natürlich eine große Mehrbelastung.
 
Produzieren Sie ausschließlich am eigenen Standort?
Wir können in Freiburg-Gundelfingen jeden Scheinwerfer herstellen. Hier wird hauptsächlich das gebaut, was in den Handel kommt. Der Serienstart findet stets in Deutschland statt. Für die weitere Serie nutzen wir dann auch unsere Fertigungen in Asien, um den dortigen Markt mit kurzen Lieferwegen zu versorgen. Manche Produkte fertigen wir also zugleich in Deutschland und Asien. Das Herzstück des Scheinwerfers, den komplexen Matrix-Reflektor, geben wir allerdings nie aus der Hand. Den fertigen wir ausschließlich in Deutschland.
 
Wohin wird sich die Radbranche in den nächsten Jahren entwickeln?
Die Radbranche wird weiterhin extrem wachsen und sich schnell weiterentwickeln. Nur mit umweltfreundlicheren Alternativen können wir das Problem „Auto“ angehen. Ich denke, das E-Bike wird hierbei eine immens wichtige Rolle spielen. Bei kürzeren Strecken und vor allem beim Pendeln sehe ich es ganz vorn. Im städtischen Lieferverkehr wird sich außerdem das Lastenfahrrad mehr und mehr durchsetzen. Ich kann mir vorstellen, dass sich beim Aussehen und der Bauweise der Cargobikes auch noch einiges tun wird. 
 
Welches Rad nutzen Sie aktuell? Und welche Strecke vor Ihrer Haustüre würden Sie uns empfehlen?
Ich darf viel zu viele tolle Fahrräder fahren, als dass ich mich auf eines festlegen möchte. Momentan sind es neun oder zehn, glaube ich. Ein Großteil davon stammt von Kunden und dient dem Austesten von Produkten. Das heißt für mich: Fahren bei jedem Wetter, im Dunkeln wie im Hellen. Eine Streckenempfehlung? Auch das ist schwierig zu beantworten. Hier im Schwarzwald gibt es eigentlich nur schöne Touren. Empfehlen würde ich an der Stelle aber die „verlängerte Version“ meines Arbeitswegs – über den imposanten Kandel direkt vor den Toren von Supernova.


Erprobt jeden Scheinwerfer noch selbst: Marcus Wallmeyer auf einem Fat-Bike auf den Höhen des verschneiten Schwarzwaldes..

Supernova

2006 hatte das Unternehmen gerade mal einen Mitarbeiter, heute arbeiten über 50 Mitarbeiter*innen in dem mittelständischen Unternehmen, das nicht nur im Boomjahr des Fahrrades 2020 kräftig gewachsen ist. Unweit von Freiburg angesiedelt, entwickelt das Unternehmen heute nur noch Beleuchtung auf LED-Basis. Zu den Kunden zählen neben bekannten Fahrradmarken auch der Fahrradhandel mit seinem Nachrüst-Markt. Supernova gehört zum Kreis der am häufigsten mit dem Focus Open ausgezeichneten Unternehmen: Allein den Focus Open in Gold erhielt Supernova vier Mal.
www.supernova-design.com


Ganz aktuell mit dem Focus Open Gold prämiert: Der „M99 Mini Pro B54“ mit eigenem, beheizbarem Akku, gedacht für „Muskelradler“ mit Gravel-Bike.

Marcus Wallmeyer


...hat in Pforzheim Transportation Design studiert. Seine 2003 zusammen mit einer Kommilitonin erstellte Diplomarbeit widmete sich der Vision eines interstellaren Raumschiffes für die Reise nach Alpha Centauri. Bereits während eines Praktikums in Hollywood kam er mit NASA-Wissenschaftlern in Kontakt, aus der das Diplomthema entstand. Nach dem Studium war er als Stipendiat in Kalifornien, um dort an Entwürfen für Science-Fiction Filmen zu arbeiten. In dieser Zeit betreute er Supernova aus der Ferne.