Gutes Design ist detailbesessen

Seit über 25 Jahren gestaltet Slogdesign in Biberach für die Medical- und Mobility-Branche Produkte sowie, Hand in Hand, auch das passende Kommunikationsdesign. Dabei geht es nicht allein um die Formgebung, sondern stets ebenso um die technische Seite eines Konzeptes, Produktionsverfahren inklusive.
Interview: Armin Scharf

Slogdesign gehört seit über zwei Jahrzehnten zu den festen Größen baden-württembergischen Industriedesigns. Doch das Büro in Biberach ist breiter aufgestellt und zugleich im Bereich Kommunikationsdesign präsent – eine sinnvolle Kombination im Sinne der Kunden. Warum, das erläutern Susanne Schönberg und Jürgen Hinderhofer im Gespräch.

Slogdesign gestaltet sowohl für den Medical- wie für den Mobilitybereich. Wie passt das zusammen?
Im ersten Moment mag man sich das durchaus fragen. Tatsächlich sind Medical wie Mobility ausgesprochen ergonomie- und techniklastig, unser Know-how passt also perfekt zu beiden Bereichen. Bevor wir 1994 Slogdesign gründeten, war ich sieben Jahre lang in der Automobilindustrie mit Exterieur-Projekten, vor allem aber mit komplexen Fahrerplatz-Gestaltungen beschäftigt. Zum einen interessieren uns Medizin- und Mobilitätsthemen, zum anderen können wir beide Bereiche durch Wissen über neue Materialien, Verarbeitungstechnologien und Serienumsetzung sehr gut verlinken.

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Ist es heute notwendig, sich als Designbüro auf bestimmte Produktbereiche zu spezialisieren?
Ich denke schon. Es macht einen großen Unterschied, ob ich modisch-dekorative oder technisch-komplexe Projekte bearbeite. Die Wissensbasis und Erfahrung, die man für ergonomische und technische Produkte benötigt, ist deutlich umfangreicher – und muss ständig erweitert werden. Auch ist es nützlich, Fachwissen bezüglich Verarbeitungstechnologien zu haben. Denn wir agieren nicht nur als Gestalter, sondern auch als Techniker: neben der Benutzerfreundlichkeit für den Anwender haben wir auch die Produzierbarkeit im Blick. Durch die clevere gestalterische Auslegung schaffen wir für den Hersteller bessere Lösungen.

Design galt lange als verzichtbare „Schönmacherei“ – welchen Status hat das Design in Unternehmen aktuell?
Ohne Design kann es keine zukunftsgerichtete Innovationskultur geben! Bei führenden Unternehmen ist Design daher strategisch fest verankert, als zentrales Instrument im Wettbewerb um neue Nutzerschichten. Gute Gestaltung macht die Produktqualität und die Innovationen sichtbar und beeinflusst die Kaufentscheidung positiv. Unsere Kunden profitieren von einer designorientierten Produkt- und Markendifferenzierung, sie wissen, dass die Formgebung das Erscheinungsbild prägt und die sichere technische Funktion erkennbar macht. Zukunftsorientierte Unternehmer wissen auch, dass Designer eingefahrene Denkmuster aufbrechen.
Ein weiterer Aspekt: Design erhöht die Preisakzeptanz und verbessert unserer Erfahrung nach die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Denn: wer arbeitet nicht gerne in einem Unternehmen mit tollen, erfolgreichen und nützlichen Produkten?

Welche Abteilungen eines Unternehmens müssen für eine erfolgreiche Designentwicklung involviert sein?
Zuerst muss die Geschäftsleitung überzeugt sein, dass gut gestaltete Produkte für die positive Wettbewerbs-Differenzierung notwendig sind. Als nächstes müssen die Produktmanager mit ins Boot und gleichermaßen die Techniker und Ingenieure begeistert werden. Dabei sollte es nicht um eine einmalige Produktinnovation gehen, sondern darum, in strategisch sowie ökonomisch sinnvollen Abständen die Produktanmutung, Handhabung und die Produktqualität zu verbessern. Ganz wesentlich für den Erfolg ist die frühzeitige und zielgerichtete Einbeziehung von Design in die Produktentwicklung.

Slogdesign arbeitet schon 25 Jahre für Atera – was hält über eine so lange Zeit frisch?
Die „Tüftlermomente“! Etwa die Suche nach neuartigen mechanischen Lösungen, die dann den Gestaltungsprozess in eine neue Richtung lenken. Gemeinsam mit Atera haben wir die digitale Prozesskette stringent weiterentwickelt. Konstruktion und Entwicklung laufen im 3D-CAD-System, der Musterbau in 3D-Printverfahren schließt sich gleich daran an. Außerdem verwenden wir die 3D-CAD-Daten für die 3D-Visualisierungen in Bild- und Filmdarstellungen für Werbung, für die Atera-Website und Printmedien.
Wie tief sind Sie – zum Beispiel bei Atera – in die technische Entwicklung involviert?
Bei vielen unserer Projekte sind Technik und Design engmaschig vernetzt. Die Reduzierung von Teilemengen oder die clevere Integration von Funktionen lässt sich nur im Team und im Austausch mit der technischen Entwicklung realisieren. Wir kratzen nicht nur an der sichtbaren Oberfläche oder an der Hülle des Produktes.

Sind lange Kundenbeziehungen die Voraussetzung für gutes Design?
Es ist nicht unbedingt die Voraussetzung, aber es macht die Sache leichter. Denn nicht in jedem Unternehmen findet man auf Anhieb die notwendige Designakzeptanz, vielmehr muss man sie durch Ideen, Kreativität und Fachwissen hart erarbeiten. Je mehr erfolgreiche Projekte realisiert wurden, umso höher ist das Akzeptanz-Level und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen.

Wie überhaupt lässt sich heute „gutes Design“ definieren?
Gutes Design ist stringent, unaufdringlich, ehrlich, durchdacht, detailbesessen. Gut gestaltete Produkte sind umweltfreundlich, reparaturfähig, selbsterklärend und dank 3D-Druck sind zeitlich unbegrenzt Ersatzteile verfügbar. Das Produkt sollte in all seinen Einzelteilen in einem Wertstoff-Kreislauf rückführbar und verwertbar sein.


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Sie arbeiten im digitalen Workflow auch mit Virtual Reality. Was bringt das?
Seit vergangenem Jahr verfügen wir über ein leistungsstarkes 4K-VR-System, das unseren Kunden früh einen Eindruck der Entwurfsmodelle vermittelt. Und er kann viel einfacher zwischen Varianten entscheiden. Die Voraussetzung ist ein gut aufbereitetes 3D-CAD-Datenmodell. Mit der Virtual Reality bieten wir zusätzlich zu physischen Modellen eine weitere Visualisierungsoption.

Sie bieten Kommunikations- und Produktdesign – was gewinnen Ihre Kunden dadurch?
Wir sind ein interdisziplinär und crossmedial arbeitendes Designstudio. Das Kommunikationsdesign ergänzt häufig unser Produktdesign, kann aber auch völlig unabhängig davon sein. Eine ganzheitliche Betreuung ist sehr sinnvoll, denn wir kennen ja das Produkt und die Zielgruppe sehr genau und wissen, wie die Werbeansprache aussehen sollte. Die digitale Prozesskette ermöglicht es, lange bevor das Produkt fertig ist, parallel in den Rendersystemen Werbefotos, Videoclips, Verpackung, Werbedisplays und Inhalte für die Webpage zu erstellen.

Welche Herausforderungen warten auf das Design in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Bionic, Robotic, neue Materialien, neue 3D-Printverfahren, nachhaltige Produktions- und Ressourcen-Kreisläufe beschäftigen uns bereits jetzt intensiv. Als Gestalter sind wir gefordert, den Konsum und die Wegwerfmentalität zu verändern. Der Wandel vom Kauf zur Miete von Produkten verändert Produktkonzepte und Produktanforderungen. Die lückenlose Wertstoffrückführung nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip lässt sich aber nur mit strengen Regulierungen seitens des Staates erreichen.

Kann das Design Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität bzw. zur Circular Economy unterstützen?
Wir arbeiten für Branchen, deren Produkte auf Langlebigkeit und Robustheit ausgelegt sind – das ist schon mal ein sehr wichtiger Aspekt, der auch von Konsumgütern übernommen werden sollte. Der von uns im Jahre 1997 gestaltete Relingträger Atera Signo wird immer noch produziert. Grundvoraussetzung dafür ist die klare, stringente Gestaltung mit hoher Funktionalität und hochwertigen Werkstoffen. Ich denke die Zeichen stehen gut, dass Longlife-Produkte wieder geschätzt werden. Das erfordert Designkonzepte und Produkte, die so robust und reparaturfreundlich sind, dass einer Zweit- und Drittvermarktung nichts im Wege steht. Und die 3D-Drucktechnik hat das Potenzial, die Lieferketten hin zu lokalen Produktionen zu verschieben.

Ihr bislang komplexestes Produkt?
Die Niederflur-Straßenbahn GT6N aus dem Jahre 1989. Sie fährt übrigens heute noch in Berlin, München und Bremen.

Slogdesign

1994 gegründet, konzentriert sich Slogdesign in Biberach auf Industriedesign von technischen und ergonomischen Produkten sowie auf die Gestaltung von Markenkommunikation. Die Stärke des Büros liegt unter anderem in der aktiven Verbindung dieser Disziplinen. Hinter Slogdesign stehen die Diplom-Kommunikationsdesignerin Susanne Schönberg und der Diplom-Industriedesigner Jürgen Hinderhofer.
www.slogdesign.de
Susanne Schönberg und Jürgen Hinderhofer