Mia Seeger Preis 2018

Ergebnisse


Seit 30 Jahren lobt die Mia Seeger Stiftung ihren Preis aus. So auch in diesem Jahr. Wie immer waren StudentInnen und AbsolventInnen an deutschen Hochschulen aus gestalterischen Studiengängen eingeladen. Sie konnten mit Studien- und Abschlussarbeiten teilnehmen, die in den Jahren 2016 bis 2018 entstanden sind. Bei der Bewertung der eingereichten Entwürfe ist neben den üblichen Designkriterien der soziale Nutzen entscheidend.

Derzeit ist es nur durch Zuwendungen von außen möglich, den Preis in gewohnter Höhe auszuschreiben. Diesmal kamen großzügige Spenden von der Hans Schwörer Stiftung und vom Rat für Formgebung. Dank dieser Unterstützung konnte die Mia Seeger Stiftung den Mia Seeger Preis wieder mit 10.000 Euro ausloben.

In die Jury waren berufen:
Elke Weiser, Designerin, Weiser_Design, Stuttgart, Mia Seeger Preisträgerin 1993
Stefan Lippert, Designer, UP Designstudio, Stuttgart, Mia Seeger Preisträger 1993, Stipendiat 1993/94
Armin Scharf, Freier Journalist, zwomp.de, Tübingen
Oliver Stotz, Industriedesigner, stotz-design.com, Wuppertal, Mia Seeger Preisträger 1992

Am 21. März 2018 hatte die Jury ihre Auswahl getroffen. Vier Teilnehmern erkannte sie den Mia Seeger Preis zu, zwei weiteren Bewerbern sprach sie eine Anerkennung aus.

Zur Mia Seeger Stiftung:
Mia Seeger war die „Grande Dame“ des Design. Mit der Weißenhofsiedlung 1927 in Stuttgart begann ihre Laufbahn. Bald war sie an weiteren Ausstellungen des Deutschen Werkbundes beteiligt. Die Bundesrepublik hat sie vielfach als Kommissarin zu Triennalen in Mailand entsandt und zur ersten Leiterin des Rat für Formgebung berufen, den sie zwölf Jahre lang führte. Sie war selbst keine Designerin, sondern Design-Vermittlerin und -Beraterin. 1986 rief sie die nach ihr benannte Stiftung ins Leben, deren Zweck die Bildung junger Gestalterinnen und Gestalter ist. Namhafte Sponsoren aus der Wirtschaft haben sich ihren Zielen angeschlossen. Mit der Absicht, besonders den Nachwuchs im Design zu fördern und ihn dabei zur Auseinandersetzung mit sozialen Fragen aufzufordern, schreibt die Stiftung jährlich den Mia Seeger Preis unter dem Motto „was mehr als einem nützt“ aus.
Preise und Anerkennungen beim Mia Seeger Preis sind hervorragende Referenzen für junge Designer, die unter anderem den Weg in den Berufseinstieg ebenen können. Die Publikation im weltweit vertriebenen Jahrbuch sowie die Präsentation der ausgewählten Exponate bieten neben der finanziellen Förderung ein zusätzliches Plus für die ausgezeichneten Juniordesigner.

Weitere Informationen zur Ausstellung und Öffentlichen Führungen finden Sie hier.

Fotograf: Benjamin Stollenberg

Mia Seeger Preis 2018
Preisgeld 3.000 €

Sensa – ein Hilfsmittel zur Selbstuntersuchung der Brust


Entwurf
Daniela Böhrer
dani.boehrer@hotmail.de

Studium/Hochschule
Integriertes Produktdesign, Bachelor of Arts
Hochschule Coburg

Betreuung
Prof. Gerhard Kampe

Wenn Selbstuntersuchung, dann richtig. Das Gerät verspricht Hilfe. Freilich bleibt es dabei, dass die Frau sich selber abtastet. Nur liegt zwischen Fingerkuppe und Brust eine ganz dünne, druckempfindliche Membran, die den zurückgelegten Weg registriert und laufend den Gewebegegendruck misst. Eine passende App führt auf dem Smartphone durch alle Phasen der Untersuchung, zeigt abgetastete Bereiche an und vergleicht die Messdaten mit früheren Werten. Sobald sie in der Auswertung erkennt, dass eine Verhärtung größer oder fester wird, rät sie zum Arztbesuch.

Jury:
Lieber nichts tun als etwas Falsches machen – dieses Argument zieht jetzt nicht mehr, egal, wie eine Frau zur Selbstuntersuchung als Ergänzung zur ärztlichen Vorsorge steht. Sie hat eine Assistentin, die erinnert, anleitet, aufpasst, objektiv feststellt und vernünftig rät. Alles Für und Wider ist in der vorliegenden Studie ausführlich abgewogen, alle gängigen Geräte sind kritisch gewürdigt, alle einschlägigen Sensortechniken referiert. Zum Schluss ist eine beherzte Entscheidung in einen einfühlsamen Entwurf umgesetzt. Weiche Linien, zarte Farben stimmen auf hautnahe Anwendung ein. Die Formen von Maus, Tablet und Smartphone sprechen mit.


Mia Seeger Preis 2018
Preisgeld 3.000 €

Moor Monitoring


Entwurf
Merle-Christin Leuschner
merle.leuschner@web.de

Studium/Hochschule
Industriedesign, Bachelor of Arts
Muthesius Kunsthochschule Kiel

Betreuung
Prof. Detlef Rhein
Prof.in Annika Frye 

Messgeräte im Eigenbau, damit lässt sich kein Monitoring veranstalten. Wer renaturierte Moore in den Emissionshandel bringen will, braucht aber eines – und dafür eine Flotte von mobilen Messstationen. Die einzelnen Geräte sind für die automatisierte Haubenmessung ausgelegt. Drohnen bringen sie aufs Feld. Ein ‘Technikherz‘ analysiert die im Innenraum aufsteigenden Gase und sendet die Messdaten an die Leitstelle. Nach einigen Tagen werden die Hauben umgesetzt, zwischendurch mit Energie versorgt, beides wieder mit Drohnen. An den neuen Standorten beginnt das Messen von neuem.

Jury:
Die Studie legt dar, dass trockengelegte Moore richtige Klimakiller sind. Sie zu renaturieren senke effektiv und kostengünstig ihre Emission und bringe im Emissionshandel mehr ein als landwirtschaftliche Nutzung. Vollständiges Feldmonitoring stabilisiert diesen Trend. Der vorliegende Entwurf automatisiert und standardisiert die einschlägige Messtechnik, eignet sich für die serielle Produktion, hält den Personalaufwand, aber auch die Anzahl der benötigten Geräte in Grenzen, und, wichtiger noch, das Beschicken aus der Luft stört die Renaturierung weit weniger als Messgehilfen mit Stiefeln und Auto.


Mia Seeger Preis 2018
Preisgeld 2.000 €


Breaze – Zungentraining gegen Schlafapnoe


Entwurf
Andrea Alvarez Botero
alvarez-ab@hotmail.com 

Studium/Hochschule
Medical Design, Studienarbeit
Muthesius Kunsthochschule Kiel

Betreuung
Prof. Detlef Rhein

Atemaussetzer im Schlaf? Schuld ist erschlafftes Gewebe im Rachenraum. Sprechtherapeutisch inspirierte Übungen für die Zunge könnten helfen. Dafür ist hier ein kleines Trainingsgerät mit Drehscheibe und Schiebeknopf entworfen. Eine App auf dem Smartphone leitet den Patienten an, registriert – dank der Sensorik im Griff – seine Fortschritte, definiert die weiteren Schritte und erstellt aus den erbrachten Leistungen eine Statistik für den Arzt. Nachts liegt das obere Teil im Reinigungsbad, der Griff aber zum Aufladen auf dem Induktionstablett.

Jury:
Breaze laboriert nicht an Symptomen herum, sondern setzt an der Wurzel an, an der Erschlaffung (sofern tiefere krankhafte Ursachen ausgeschlossen sind). Das Trainingsgerät zu handhaben, ist nicht viel komplizierter als bei einer elektrischen Zahnbürste. Im Gegenteil. Die App unterlegt die Instruktionen an den Nutzer mit schematisch gezeichneten Animationen, die klar machen, wie und wie intensiv er die Bemühungen seiner Zunge an welchen Muskel zu richten habe. In ihrer Projektdokumentation gibt die Entwerferin eine schöne, anschauliche Probe davon.

Mia Seeger Preis 2018
Preisgeld 2.000 €

IUI – Interactive Urban Illumination


Entwurf
Armin Warnecke
contact@arminwarnecke.com 

Studium/Hochschule
Industriedesign, Master of Arts
Muthesius Kunsthochschule Kiel

Betreuung
Prof. Detlef Rhein
Prof.in Dr. Rosan Chow

Städte verschmutzen die Nacht mit Licht. Pauschales Dimmen wäre keine Lösung, aber „bedarfsadaptive Beleuchtung“: Tragendes Element ist eine Stele, die mit Digital Mirror Device Lichttechnik ausgerüstet ist und in einem vorgefertigten Fundament mit Strom- und Internetanschluss steckt. Ausführungen in drei oder vier Längen genügen, um alle Stadtgebiete bedarfsgerecht auszustatten. Am Aufstellungsort lassen sich die Lichtfelder nach Helligkeit, Ausdehnung und Dauer genau auf die lokalen Verhältnisse abstimmen. Die Version mit Steckdosen macht den Lichtmast zur Servicestation für Elektroautos und andere Stromabnehmer.

Jury:
Auch Reduktion ist Gestaltung. Hier folgt sie der Maxime: Erst mal die immensen Streuverluste der Stadtbeleuchtung vermeiden. Und hält zwei Maßnahmen dafür geeignet: nicht mehr Fläche als nötig zu beleuchten und dieses nur so lange wie nötig. Das zweite scheint mit ausgeklügelter Sensorik machbar, das erste mit der Lichttechnik nach Art des Abblendlichts moderner Autos. Zur differenzierten Steuerung des Lichtkegels von der Seite aus reicht es, wenn man verschiedene Höhen für die Lichtquelle hat. Das leistet ein schlichter Mast. Mehr wäre weniger.
 

Mia Seeger Preis 2018
Anerkennung


PickPack – wiederverwendbare Verpackung und Aufbewahrungsbox


Entwurf
Theresa von Bodelschwingh
und Till Strohmeier
info@designstudio-t.de 

Studium/Hochschule
Designstudium für Handwerker, Designer (HWK)
Akademie für Gestaltung Münster

Betreuung
Rolf Bürger, Dipl.-Designer

Gläser und Dosen adieu – man nimmt PickPack mit zum Einkaufen unverpackter Lebensmittel. Zwei rechteckige Stücke aus SnapPap, einem waschbaren Papier aus Zellulose und Latex, sind unten und seitlich zusammen genäht und lassen sich zu einem Behältnis auffalten. Die oberen Ränder übereinander geschlagen – und mit einem Gummiband gesichert – bilden den Verschluss, offen aber eine breite Schütte. Der Boden ist wie bei einer Milchtüte gefaltet, der Standfestigkeit zuliebe außerdem nach innen gewölbt. Löst man die Klettverschlüsse, hat man wieder flaches Leergut.

Jury:
Packpapier? Karton? – Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: fest und steif wie diese, aber zäher, haltbarer, wasserfest, auch schmiegsamer. Material und Falttechnik leisten, was für wiederholtes Verpacken, fürs Aufbewahren und Transportieren, leer wie befüllt, nötig ist. Die Gestalt des Behältnisses definiert sich aus Boden, Abdeckung und der Übergangsfläche zwischen beiden. Damit sticht sie wohltuend von der Banalität des Quaders ab. Falze und Seitennähte unterstreichen das nur noch. Die handwerkliche Verarbeitung tut ein Übriges zur Wertschätzung.
 

Mia Seeger Preis 2018
Anerkennung

Access – Emergency River Crossing


Entwurf
Simeon Ortmüller
simeon.ortmueller@arcor.de

Studium/Hochschule
Industriedesign, Bachelor of Arts
Muthesius Kunsthochschule Kiel

Betreuung
Prof. Detlef Rhein
Prof.in Dr. Rosan Chow

Ein Unglück jenseits des Flusses und keine Brücke weit und breit – wie meist ist die Feuerwehr zuerst da. Mit drei Mann und einem Schlauchboot baut sie einen schwimmenden Steg auf. Eine Komponente wird am diesseitigen Ufer verankert, eine andere am jenseitigen, dazwischen zwei Seile gespannt, die den Steg später links und rechts sichern sollen. Die dritte Komponente schwimmt an den Seilen entlang über den Fluss, wobei Druckluft den flexiblen Steg entrollt und anschließend dauerhaft stabilisiert. Die Rettungskräfte können nun zu Fuß zu ihrem Einsatz eilen.

Jury:
Eine Idee ist noch keine Lösung, eine druckluftarmierte Folie noch kein Behelfssteg. Selbst wenn die Grundzüge – Verankerung an den Ufern, Seilsicherung, Ausrollmechanik, Druckluftversorgung – geklärt sind, bleibt noch ein Berg von Problemen: die ganze Technik so in wenige Pakete aufzuteilen, dass sie ins Einsatzfahrzeug passen und Feuerwehrleute sie auch tragen und handhaben können, außerdem für den Brückenbau einen Ablauf zu finden, in dem die Komponenten folgerichtig Dienst tun. Beschreibung und Modell zeigen, wie gut das gelungen ist.