Ergebnisse Mia Seeger Preis 2016


Die Mia Seeger Stiftung konnte dank einer großzügigen Spende des Designers Alexander Neumeister und in Kooperation mit dem Rat für Formgebung den Preis mit einer Preissumme von insgesamt 10.000 Euro ausloben. Zur Teilnahme am jährlichen Wettbewerb der Mia Seeger Stiftung eingeladen waren Studenten und Absolventen an deutschen Hochschulen aus gestalterischen Studiengängen mit Studien- und Abschlussarbeiten, die in den Jahren 2014 bis 2016 entstanden sind. Aus 26 Hochschulen in der Republik waren 93 Bewerbungen eingegangen. Studien- und Diplomarbeiten als 3D-Modelle oder grafische Darstellungen, visuell dokumentarisch aufbereitet, hatten sich dem kritischen Urteil der Jury zu stellen.

Am 4. Mai 2016 hatte die Jury ihre Auswahl getroffen. Alle eingereichten Studien- und Diplomarbeiten hatten sich dem kritischen Urteil der Jury zu stellen. Vier Teilnehmern erkannte sie den Mia Seeger Preis zu, vier weiteren Bewerbern sprach sie eine Anerkennung aus. Der soziale Nutzen sowie die Nachhaltigkeit der Produkte spielte neben den üblichen Designkriterien eine entscheidende Rolle.

An der Jury wirkten in diesem Jahr mit:
 
  • Elke Weiser, Designerin, Weiser_Design, Stuttgart, Mia Seeger Preisträgerin 1993
  • Matthis Hamann, Designer, Managing Partner, Lunar Europe GmbH, München
  • Stefan Lippert, Designer, ipdd GmbH & Co. KG, Stuttgart, Mia Seeger Preisträger 1993 und Stipendiat 1993/94
  • Alexander Neumeister, Designer, Bad Reichenhall und Rio de Janeiro
  • Armin Scharf, Freier Journalist, zwomp.de, Tübingen
  • Oliver Stotz, Industriedesigner, stotz-design.com, Wuppertal, Mia Seeger Preisträger 1992


Zur Mia Seeger Stiftung
Mia Seeger war die „Grande Dame“ des Design. Mit der Weißenhofsiedlung 1927 in Stuttgart begann ihre Laufbahn. Bald war sie an weiteren Ausstellungen des Deutschen Werkbundes beteiligt. Die Bundesrepublik hat sie vielfach als Kommissarin zu Triennalen in Mailand entsandt und zur ersten Leiterin des Rat für Formgebung berufen, den sie zwölf Jahre lang führte. Sie war selbst keine Designerin, sondern Design-Vermittlerin und -Beraterin. 1986 rief sie die nach ihr benannte Stiftung ins Leben, deren Zweck die Bildung junger Gestalterinnen und Gestalter ist. Namhafte Sponsoren aus der Wirtschaft haben sich ihren Zielen angeschlossen.

Mit der Absicht, besonders den Nachwuchs im Design zu fördern und ihn dabei zur Auseinandersetzung mit sozialen Fragen aufzufordern, schreibt die Stiftung jährlich den Mia Seeger Preis unter dem Motto „was mehr als einem nützt“ aus.
Preise und Anerkennungen beim Mia Seeger Preis sind hervorragende Referenzen für junge Designer, die unter anderem den Weg in den Berufseinstieg ebenen können. Die Publikation im weltweit vertriebenen Jahrbuch sowie die Präsentation der ausgewählten Exponate bieten neben der finanziellen Förderung ein zusätzliches Plus für die ausgezeichneten Juniordesigner.

Preisverleihung in Ludwigsburg im Rahmen von „Focus Open“:


am 7. Oktober 2016, 19 Uhr


Ausstellungslaufzeit vom  8. Oktober bis 20. November 2016 im MIK, Ludwigsburg

Mia Seeger Preis 2016
Preisgeld 4.000 €

Shoes – and not just for the blind


Entwurf
Sabine Harrer
D-85129 Oberdolling

Studium/Hochschule
Integriertes Produktdesign, Bachelor of Arts
Hochschule Coburg

Betreuung
Prof. Gerhard Kampe

Wer sehbehindert unterwegs ist, will trotzdem ungehindert ans Ziel kommen. Dieser Schuh wäre eine enorme Hilfe: Mit Ultraschall ortet er Hindernisse und verwandelt sie in warnende Signale. GPS-gestützt steuert das Mobiltelefon orientierende Signale bei, die es dem Schuh zuleitet. Beide gibt der Schuh per Reizstrom als unterschiedlich platziertes und moduliertes Kribbeln an den Fuß weiter. Vorne im Schuh ist die Sohle so dünn, dennoch trittsicher, ausgebildet, dass Bodenunebenheiten und spezielle Markierungen zu ertasten sind. Ergänzend warnt ein Anstecker mit Vibration oder Sound vor Gefällen, Treppen und vor höheren Hindernissen.

Jury
Alle technischen Finessen, wie biegsame Piezokeramik, leitfähige Fasern, Reizstrom, GPSNavigation, sind aufgeboten, um mehr und besseres zu leisten, als es der Blindenlangstock kann. Unsichtbar in die Materialien des Schuhs eingebettet, vermeiden sie alle Stigmatisierung. Im Gegenteil: starke, kontrastierende Farben und ertastbar aufgebrachtes Dekor sind geeignet, den Sportschuh ästhetisch neu zu definieren. Bedeutend, weil lernfähig und von allerneuster Ultraschallsensorik inspiriert, ist das System in seiner wegleitenden Funktion. Mit Reizstrom-Massage und -Akupunktur bietet es erhebliche therapeutische Perspektiven.


Mia Seeger Preis 2016
Preisgeld 3.000 €

Bee2Bee – Bestäubung von Monokulturen


Entwurf
Julian Schwarze
D-63067 Offenbach am Main

Studium/Hochschule
Produktdesign, Diplom Designer
Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main

Betreuung
Prof. Peter Eckart

Will der Imker vom Honig leben, unterbindet er das natürliche Schwarmverhalten seiner Bienen, fördert es aber, wenn er schon die Bestäubungsleistung verkaufen kann. Er stellt dann einem ausgeschwärmten Volk eine geeignete Unterkunft bereit. Die Zeltkonstruktion bietet den Bienen das nötige Volumen, die richtige Lage und Größe des Eingangs und mit dem Innengestänge Halt für den Wabenbau. Messgeräte für die Parameter Temperatur, Gewicht und Flugfrequenz übermitteln dem Imker optisch und digital den Zustand eines Bienenvolks. Der Medikamentenbehälter oben am Stock ist für die Behandlung bei Parasitenbefall vorgesehen.

Jury
Ohne die Bestäubung durch Bienen geht in vielen Monokulturen gar nichts. Der gewiefte Imker sieht darin die Chance einer Dienstleistung. Der Leichtbau der neuen Bienenbehausung erlaubt ihm, die Stöcke günstig zu transportieren, sie optimal über die Anbaufläche zu verteilen, einzelne Stöcke umzustellen oder auszutauschen. Die informationelle Vernetzung hilft ihm, die Gesundheit seiner Völker zu überwachen und die Bereitschaft zum Ausschwärmen abzupassen. Dezente Beleuchtung und farbige Leuchtanzeigen erleichtern seine Arbeit, die hauptsächlich abends und nachts stattfindet, wenn alle Bienen im Stock sind.


Mia Seeger Preis
Preisgeld 1.500 €

frø – pflanzen lernen


Entwurf
Elisa Barthelmes
D-64283 Darmstadt
mail@elisabarthelmes.de

Studium/Hochschule
Industriedesign, Diplom-Designerin (FH)
Hochschule Darmstadt

Betreuung
Prof. Tino Melzer
Prof. Tom Phillipps

„Lebensraum“ war als Thema gestellt. Pädagogisch interpretiert, führt es im Entwurf zu einem Set für Schulkinder, um damit einige Nutzpflanzen großzuziehen. Zum Set gehören Samen, komprimierte (dehydrierte) Erde, Pflanz- und Wassergefäß, eine durchsichtige Haube, ein Pflanzholz und ein Beibüchlein, das zu Aufbau und Pflege anleitet und für Beobachtungsprotokolle Platz hat. Eigens erprobt sind die Bewässerungstechnik mit Docht und die Aufbereitung der Erde. In ausführlichen Versuchen wurden geeignet beschichtete Papiere ausgewählt und die ungleichseitige Sechseckform samt passenden Falttechniken entwickelt.

Jury
Der Charme der Einfachheit liegt über dem Entwurf. Unprätentiös und selbstverständlich fügen sich die gefalteten Behälter zu einem kleinen, übersichtlichen Labor. Das Kind kann hier üben, sich verlässlich um den Lebensweg einer Pflanze zu kümmern, und lernt, wie Natur geht. Kein technischer Schnickschnack lenkt ab: low tech. Und doch kann es keine Kleinigkeit gewesen sein, bis die vielen Anforderungen an einen solchen Mikrogarten – kindgerechter Gebrauch und Handhabung im Klassenzimmer, preiswerte Produktion und umweltfreundliche Entsorgung – zu einem Paket geschnürt waren, natürlich mit Banderole.


Mia Seeger Preis
Preisgeld 1.500 €

LAVE – co-washing system


Entwurf
Anna Beham
anna@beham.de
Lydia Hahnewald
lydia.hahnewald@gmail.com
Lena Janietz
lena.janietz@web.de
Lukas Salley
lukas-salley@web.de
D-73535 Schwäbisch Gmünd

Studium/Hochschule
Strategische Gestaltung MA
Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd

Betreuung
Prof. Marc Guntow
Prof. Dr. Susanne Schade

In einem Mehrparteienhaus Wäsche gemeinsam in einer Maschine waschen – da ließe sich Wasser, Energie und Geld sparen. Eine Haushaltsmaschine üblicher Bauart bekommt eine größere Tür, eine sechskantige Trommel und zusätzliche Software. Jeder Nutzer hat einen netzbespannten Korb für die Wäsche, der am Haltering getragen und formschlüssig in die Waschmaschinentrommel eingeschoben wird. Dessen Volumen lässt sich halbieren, so dass auch zwei Parteien zugleich „kleine Wäsche“ machen können. Ein RFID-Chip im Kordelverschluss übermittelt der Maschine die Waschdaten. Die unabdingbare Koordination unter den Nutzern leistet eine App.

Jury
Mit der Zuversicht, dass Teilen die Gemeinschaft stärkt und die Ressourcen schont, konzipieren die Entwerfer eine Gemeinschaftswaschküche. Mit Bedacht ist sie für ein Wohnhaus mit ca. 15 überwiegend kleineren Haushalten berechnet. Die Bewohner kennen einander, stehen positiv zu gemeinsamer Nutzung und sind bereit, Vorbehalte zu überwinden und Eigenheiten anderer auszuhalten. Das Kernstück des Entwurfs, der „Waschkorb“, hilft ihnen, ihrer Wäsche einen Rest Privatsphäre zu bewahren. Die vorgelegte Studie macht aber klar, dass Formgestaltung im engeren Sinne nur die Spitze vom Eisberg ist


Mia Seeger Preis 2016 
Anerkennung

„Time out, liebe Angehörige“ – Der Umgang mit Demenz


Entwurf
Marc Burghoff
D-45128 Essen
marc.burghoff@folkwang-uni.de

Studium/Hochschule
Industrial Design
Folkwang Universität der Künste Essen

Betreuung
Prof. (stv.) Carolin Schreiber

Auch der Helfer braucht Hilfe. Das ist die Erfahrung eines Teilnehmers am interdisziplinären Folkwang LAB „Kennen wir uns?“ zum Thema Demenz. Also entwirft er fiktive Utensilien für pflegende Angehörige von Demenzkranken und verfasst dazu einen Bestellkatalog. Damit greift er Ängste und Nöte dieser besonderen Gruppe von Pflegern auf und spricht sie im Jargon von Werbetexten an. Klar, dass es Scheinangebote sind, manche zum Lachen, einige fast zum Weinen, beispielshalber ein Zerrspiegel, eine Versteck-Decke oder eine Schlaf vortäuschende Brille.

Jury
So löblich es ist, das Thema Demenz an der Hochschule interdisziplinär zu bearbeiten, die gestalterische Qualität der Ergebnisse kann nur in einem Fall überzeugen. Im Unterschied zu den übrigen Arbeiten sind nicht die Demenzkranken, sondern ihre Betreuer ins Visier genommen. Für sie ist eine Art Trostbüchlein entstanden. Wer es liest, darf sich verstanden wissen, freilich um zwei Ecken herum: Sowohl in den entworfenen Produkten als auch in der Anpreisung derselben liegt einfühlsame Ironie. Schon der Abbau von Spannung verspricht Gewinn.


Mia Seeger Preis 2016 
Anerkennung

Mamelle – ein Messgerät zur Diagnostik von Mastitis


Entwurf
Janina Hünerberg
D-24116 Kiel
design@janinahuenerberg.de

Studium/Hochschule
Industriedesign, Bachelor of Arts
Muthesius Hochschule Kiel

Betreuung
Prof. Detlef Rhein
Prof.in Dr. Rosan Chow

Noch im Stall erfährt der Bauer, ob seine Kuh Mastitis hat, also entzündete Milchdrüsen. Kaum ist viermal am Euter eine Milchprobe entnommen, schon misst das Gerät per Raman Spektroskopie Art und Anzahl von Krankheitskeimen und zeigt nach wenigen Sekunden das Ergebnis an. Falls nötig kann die Behandlung sofort beginnen. Aus hygienischen Gründen ist das Gerät durchgehend – nur am Display nicht – mit Silikon überzogen. Oben ist das Silikon elastisch, so dass die umfassende Hand ein bis zwei Milchspritzer ins Gerät drücken kann.

Jury
Der Zeitgewinn für eine notwendige Behandlung ist enorm. Die Diagnose ist so gut abgesichert, dass die vormals übliche Behandlung auf Verdacht ganz vermieden wird. Auch können die aktuell erhobenen Daten dann gleich ins Herdenmanagement des Halters eingehen und der weiteren Überwachung durch den Tierarzt zur Verfügung stehen. Die Entnahme der Proben verlangt weiter keine besondere Geschicklichkeit, als dass der Messende melken kann, zumal er dann die andere Hand frei hat, um die Kuh zu beruhigen.


Mia Seeger Preis 2016
Anerkennung

R-Autonom – Rettungssystem für Passagierschiffe


Entwurf
Eunkyoung Lee
10367 Berlin
rorimi@naver.com

Studium/Hochschule
Produkt-Design, Master of Arts
Weißensee Kunsthochschule Berlin

Betreuung
Prof. Nils Krüger

Ein Passagierschiff in Seenot. Weil er die Nerven verloren hat und zu früh gesprungen ist, hängt ein Schiffbrüchiger jetzt weitab von einer Rettungsinsel in seiner Schwimmweste. Er reißt an seinem Armband, das er wie alle Passagiere ständig trägt, und funkt damit einen intelligenten 'R-Autonom' an. Dieser, zu Wasser gelassen, bläst und spreizt sich auf dabei und düst zur Quelle des Notrufs. Der von Unterkühlung Bedrohte steigt auf, hält sich fest und lässt sich zur Rettungsinsel schleppen – fürs erste geborgen, weiterer Rettung
bedürftig.

Jury
Außer Suchpatrouillen, die sehr nach den Umständen des Unglücks, nach Ausrüstung und Kapazitäten herbeigeeilter Rettungskräfte und nach Wetterlage variieren, bietet die Seenotrettung keine systemische Lösung an, einzelne versprengte Schwimmer auf Rettungsinseln oder in Rettungsboote zu holen. 'R-Autonom' schließt hier eine empfindliche Lücke. Nach internationalen Konventionen könnte das vollautomatische Gerät als sekundäres Rettungsmittel gelten und wäre an Bord in einer Menge von 3 % der Passagierzahl vorzuhalten.


Mia Seeger Preis 2016
Anerkennung

Demining – Each Life Counts


Entwurf
Philipp Ries
D-73535 Schwäbisch Gmünd
philipp.ries@hfg-gmuend.de

Studium/Hochschule
Produktgestaltung
Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd

Betreuung
Anke Osthues, Dozentin

Jederzeit kann eine Mine hochgehen. Genau dafür ist die Frontwalze des fahrerlosen Minenräumers in Gewicht und Umfang ausgelegt. Damit sich aber Schäden in Grenzen halten und auch leicht zu beheben sind, ist die Walzentrommel in zwölf Segmente unterteilt. Eine ähnliche Absicht steckt hinter der Gitterkonstruktion des Fahrgestells. Als Antrieb ist eine aus Akkus gespeiste Windturbine vorgesehen, mit vorprogrammierter, GPS-gestützten Steuerung. Wenn eine Mine detoniert, kehrt das Fahrzeug zur Basis zurück, wird repariert und setzt seine Route wie geplant fort.

Jury
Die Kampfhandlungen mögen beendet sein, der Krieg aber geht weiter: Landminen töten vor allem Zivilisten oder machen sie zu Krüppeln – die Minen entschärfen wollten, zuerst. Das probate Mittel ziviler Abwehr aber sind unbemannte Minenräumfahrzeuge, zumal der Kampf wie hier mit einer klugen Kombination aus Low Tech für die Frontwalze und High Tech für Antrieb und Steuerung im Heck geführt wird. Da Beschädigung in der Natur der Sache liegt, ist auf einfache Wiederherstellung wert gelegt. Nebenbei würdige man die Heckräder: ihre Bereifung kommt ohne Luft aus