Interview: Armin Scharf
Fotos: Spek Design und Darwis Alwan (1)
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SPEK DESIGN INTERVIEW
„Nachhaltigkeit ist eine riesige Chance für unser Berufsfeld!“

Designer:innen, Produktmanagerinnen, Produktmanager und Hersteller tragen gemeinsam Verantwortung für den ökologischen Impact von Produkten, Systemen, Services. Warum das eine große Chance ist, sagt Patrick Sauter, Geschäftsführer von Spek Design.

Seit vielen Jahren schon widmet man sich bei Spek Design neuen Materialien, die vor allem nachhaltige Qualitäten haben. Schon seit vielen Jahren suchen Patrick Sauter und Eberhard Kappler daher den Kontakt zu Universitäten oder anderen Forschungsprojekten, um Neues zu erkunden – und nutzbar zu machen. Spek Design nimmt regelmäßig am Internationalen Designpreis Baden-Württemberg FOCUS OPEN teil und wurde auch im aktuellen Jahr ausgezeichnet – für das Konzept eines digitalen Tischkommunikators, der wiederum als Forschungsprojekt entstanden ist.

Wir haben mit Patrick Sauter über Forschung, Materialien und Weiterbildung gesprochen. Und erfahren, dass Nachhaltigkeit eine große Chance für Designer:innen ist.

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Design kann das Thema Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen voranbringen. Welche Hebel bieten sich besonders an?

PATRICK SAUTER: Also, zunächst geht es darum, nachhaltige Materialien mit nachvollziehbarer Herkunft zu verwenden. Dann müssen unbedingt die Entsorgungs- bzw. Recyclingketten bereits beim Start eines Projektes mitgedacht werden. Künftig werden wir Unterstützung von KI-Systemen bekommen, die uns im Entwurfsprozess begleiten und sofort ökologische Bewertungen liefern. „AI Aided Design“ hilft uns dann, noch nachhaltigere Lösungen zu generieren. Simon Hettler aus Berlin hat 2020 schon als Designer in Residence der HfG Stiftung in Ulm an solchen Programmen gearbeitet. Aber meines Wissens gibt es derzeit noch kein für Designprozesse ausgelegtes Tool.


Interaktive Wandelemente für die Ausstellung „Future Now“, die Mercedes-Benz 2014 in Bremen präsentierte.
Foto: Andreas Keller

 

Ein oft zu hörender Einwand lautet, dass Nachhaltigkeit die Dinge verteuert. Ist dem so?
PATRICK SAUTER: Ha, das ist ein Witz! Mit solchen Sichtweisen haben wir uns über die letzten 200 Jahre in die heutige Misere reingeritten. Nur die Kosten zu fixieren, ist kurzfristig, ja geradezu grotesk, denn die Schäden, die wir so auf diesem Planeten bereits angerichtet haben, sind viel teurer. Eigentlich sollten wir Hausverbot auf allen anderen Planeten bekommen. Ernsthaft: Nachhaltigkeit muss das neue Normal werden. Wir sollten uns in vielen Bereichen an alten Methoden orientieren – unsere Urgroßväter brachten viele Prozesse besser mit der Natur in Einklang. Kompositmaterialien beispielsweise hören sich perfekt an, ökologisch gesehen sind sie aber höchst problematisch.

Momentan befinden wir uns in einer Phase des Wandels, der aber zu langsam läuft. Menschen tun sich schwer mit radikaler, schneller Veränderung. Wir sehen zwar den Änderungsbedarf, doch soll unsere Alltagskomfortzone unbeeinträchtigt bleiben.

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Sollten sich Designer:innen mehr in Sachen Nachhaltigkeit engagieren?
PATRICK SAUTER: Ja, das ist eine riesige Chance für unser Berufsfeld! Früher bestimmten Form, Funktion und Kosten unsere Arbeit, jetzt kommt der Impact auf die Umwelt dazu, eigentlich ein alles entscheidender Faktor. Designer:innen, Produktmanagerinnen, Produktmanager und Hersteller tragen die Verantwortung für diesen Impact gemeinsam. Meistens ist es ein Spagat: Ein Umdenken muss vor allem in den Köpfen der Auftraggeber und Hersteller stattfinden, damit Designer:innen auch wirklich nachhaltig planen können.

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Und wie weit ist dieses Umdenken?

PATRICK SAUTER: Ganz ehrlich: Der Spagat ist heute oft noch schwierig. Die Struktur vieler großer Auftraggeber verortet die Produktentwicklung beim mittleren Management. Die oberste Geschäftsleitung will nur ab und zu wissen, ob die Budgets eingehalten werden, bewertet also rein ergebnisorientiert und kurzfristig. So werden neue ökologische Werkstoffe und Produktionsprozesse, die zunächst Zusatzkosten bringen, oft schnell wieder von Bord gekippt.

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Wir kann man seine Kunden also motivieren, nachhaltig zu agieren?

PATRICK SAUTER: Indem man den Nutzen und die Vorteile aufzeigt. Konsument:innen sind grundsätzlich für das Thema sensibilisiert, daher kann man als nachhaltig agierendes Unternehmen eine positive Außenwirkung erreichen. Ich verweise gerne auf den neuen Campus von Allnatura in Darmstadt. Das Unternehmen hat sich mit dem Gebäude auf ein langwieriges und auch riskantes Experiment eingelassen, übliche Konventionen zu verlassen. Das Ergebnis aber überzeugt, denn neben dem ökologischen Kapital, das dort geschaffen wurde, hat die positive Berichterstattung dem Unternehmen bestimmt mehr Reputation und Aufmerksamkeit gebracht als alle Werbeanzeigen zusammen.


 
Schauen wir nochmals auf die Werkstoffe – wo wachsen denn momentan die interessantesten Innovationen?

PATRICK SAUTER: Eindeutig bei biobasierten Materialien. Wir arbeiten seit über einem Jahr an einem Forschungsprojekt mit, das „gestricktes Holz“ entwickelt. Das abbaubare Material könnte beispielsweise den Kunststoff-Beißschutz für Baumpflanzlinge ersetzen. Sehr interessant sind auch pilzbasierte Materialien, ökologische Akkus, Zellulose, Alginate, Materialien aus Polyvinylalkohol oder Polyhydroxalalkanoate, die sich nach der Nutzung zersetzen. Und schließlich sind Monomaterialien wichtig, denn die Ära der Komposite ist vorbei. Klar ist, dass hinter der Mehrzahl der erfolgreichen Produkte eine Material- oder Produktions-Innovation steht.


Ein früher Versuch, gestricktes Holz durch Wärmebehandlung in eine gewünschte 3D-Form zu bringen.
 

Es tut sich tatsächlich enorm viel auf Seiten der Werkstoffe – wie behält man da den Überblick?
PATRICK SAUTER: Wichtig ist, sich stets selbst fortzubilden und zu recherchieren, steht ein konkretes Projekt an, muss das in kürzester Zeit passieren. Aber eigentlich sollte man sich permanent auf dem Laufenden halten und sein Wissen aktualisieren. Eigentlich verkaufen wir ja unser Know-how, doch dieser Aspekt wird leider oft missachtet und wenig honoriert.

Wie systematische Weiterbildung geht, zeigen die Architektenkammern, die von jedem Mitglied alljährlich eine bestimmte Anzahl von Weiterbildungspunkten verlangen. Das ist ein guter Ansatz, der von den berufsständischen Vereinigungen, etwa vom VDID, ins Leben gerufen werden könnte.

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Sie arbeiten regelmäßig in Forschungsprojekten mit. Wie wichtig ist diese Koperation?
PATRICK SAUTER: Bei Forschungsprojekten entsteht ein für uns wichtiger Austausch mit unterschiedlichen Disziplinen – und das über einen längeren Zeitraum, unabhängig von kundenspezifischen Interessen. Das eröffnet andere Blickwinkel auf die Dinge und bringt uns letztlich wichtige Inspirationen für zukünftige Arbeiten.


PraktikApp – ein Forschungsprojekt, das die digitale Kommunikation an den Ess- oder auch Küchentisch bringt. Dafür gab es aktuell den „FOCUS Special Mention“.
 

Ändert sich durch diese Kooperationen das designerische Denken und Vorgehen?
PATRICK SAUTER: Auf jeden Fall, man denkt mit einem breiteren Horizont. Mattheo Thun sagte, dass Designer:innen Multi-Dilettanten sind, also von vielen Dingen ein bisschen verstehen. Das muss auch so sein. Wir benötigen ein sehr breites Wissen, um uns einer Produktentwicklung gesamtheitlich widmen zu können. Oder man spezialisiert sich auf Spülbürstendesign oder ausschließlich auf das Erstellen von Renderings.
 

Spek Design

1987 von Patrick Sauter und Eberhard Kappler gegründet, widmet sich Spek Design neben Produktdesign vor allem Projekten aus den Bereichen Innenarchitektur, Kommunikation im Raum sowie Bauen im Bestand. Einen großen Anteil hat dabei die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit neuen Materialien und Fertigungstechnologien.


Wolke 7 nennt sich dieses Projekt. Dabei ging es um die Gestaltung für den Gewinnsparverein in Stuttgart.
Foto: Daniel Mackert


www.spek-design.de