Interview: Armin Scharf
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DQBD GMBH UND GEMTEC LASEROPTISCHE SYSTEME GMBH ERFOLGSGESCHICHTEN
DER FAKTOR SCHLAF

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Man könnte „Somnosync“ für eine besonders schlanke VR-Brille halten. Tatsächlich aber hilft das Tool, wieder in den richtigen Schlaf zu finden. Und sie kann früher oder später noch viel mehr. Ein Interview über eine faszinierende Idee, Ergonomie, Forschung und Klarträume.

Schlafstörungen sind ein weit verbreitetes Phänomen, das großen Einfluss auf das Wohlbefinden und auch auf die Gesundheit der betroffenen Menschen hat. Diagnose sowie Therapie sind aufwendig und nur im speziellen Schlaflabor unter klinischen Bedingungen möglich – zumindest bis jetzt. Denn mit der „Somnosync“-Schlaf­maske gibt es nun ein Tool, das unkompliziert nutzbar ist und neue medizinische Möglichkeiten der Diagnose und Therapie eröffnet. Entwickelt hat sie Gerhart Schroff aus Winnenden zusammen mit Forschern des Karlsruher KIT, gestaltet wurde sie in Schorndorf von DQBD.

Für das innovative Konzept und das durchdachte Design wurde „Somnosync“ 2023 mit dem „FOCUS Silver“ ausgezeichnet. In naher Zukunft könnte die Maske das Klarträumen unterstützen. Doch der Reihe nach.

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Herr Schroff, Ihr Unternehmen entwickelt eigentlich laseroptische Systeme für die Industrie. Wo ist da die Verbindung zur „Traumbrille“?

GERHART SCHROFF: Ich hatte 2003 erstmals einige intensive Klarträume, die mich sehr beeindruckten. Ich kannte die Realität, wie sie sich in Klarträumen zeigt, bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Bedenkt man dann noch die Möglichkeiten, die Klarträume eröffnen, steht sofort der Wunsch im Raum, diese bewusst hervorrufen zu können. Leider ist das nicht so einfach, der Wunsch alleine reicht nicht aus. Also lag es nahe, ein technisches Hilfsmittel zu entwickeln, das die Schlafphasen besser und einfacher analysiert, um so das Klarträumen gezielt induzieren zu können. Als Hersteller laseroptischer Dichtheitsprüfsystemen verfügen wir über das erforderliche Know-how. Da wir auch das Potenzial für klinische Schlafstörungs-Diagnosen gesehen haben, erschien es uns vielversprechend, diese Entwicklung zu starten.
 


Bei Klarträumen geht man davon aus, dass das Gehirn darin zu Wahrnehmungen kommen kann, die im Wachzustand und in gewöhnlichen Träumen nicht erfolgen.
 

Wie genau funktioniert das „Somnosync“-Konzept und wie unterscheidet es sich von den etablierten Methoden?

GERHART SCHROFF: Man weiß schon seit den 1960er Jahren, dass eine ganze Reihe von Augenbewegungen, beispielsweise die für die REM-Phase charakteristischen, chaotisch burstartigen Signale, für die klinische Diagnostik relevant sind, aber mittels der im Schlaflabor standardmäßig eingesetzten Polysomnographie nicht nachweisbar sind. Das ist derzeit einzig mit der SSC-Technik (Scleral Search Coil) möglich. Allerdings müssen dafür Kontaktlinsen mit integrierten Induktionsspulen und den entsprechenden Anschlussdrähten auf der Hornhaut des Auges fixiert werden. Ohne örtliche Betäubung ist das nicht machbar, daher eignet sich die SSC-Technik nicht für den klinischen Einsatz. Unser Ziel war es, diese Nachteile auszuschließen.
 

Und wie gelang Ihnen das?

GERHART SCHROFF: Die Augen produzieren sehr schwache elektrische Felder, die räumlich variieren, wenn sich das Auge bewegt. Die Sensorik der „Somnosync“-Schlafmaske registriert diese Veränderungen, kann so grundsätzlich alle Augenbewegungen sicher und erstmals berührungslos erkennen. Und sie eignet sich erstmals auch, um Patient:innen daheim zu screenen, was die Schlafdiagnose sehr erleichtert.
 

Das klingt einfach, ist es aber sicherlich nicht.

GERHART SCHROFF: In der Tat. Die Sensorik muss sehr empfindlich sein, zugleich soll sie aber auch nicht von den immer vorhandenen Störfeldern beeinflusst werden. Auch die elektrostatische Aufladung der Maske musste ausgeschlossen werden, aber das ist eine Materialfrage.
 


Die  Schlafbrille „Somnosync“.
 

Sie haben dann ein Forschungsprojekt mit dem Karlsruher Forschungszentrum Informatik initiiert, das sogar gefördert wurde. Um was ging es dabei?

GERHART SCHROFF: Es erschien uns sinnvoll, für die Analysesoftware, die anhand der Augenbewegungen in Echtzeit die Schlafphasen bestimmt, einen kompetenten Partner mit im Boot zu haben. Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekts haben wir dann die erforderliche Hardware, insbesondere die neuartigen Feldeffekt-Sensoren zur Erfassung der elektrischen Felder entwickelt. Schließlich konnten wir alles samt Elektronik in einer leichten, einfach zu handhabenden und bequem zu tragenden Schlafmaske integrieren.

Das Forschungszentrum Informatik (FZI) hat in einem ersten Schritt die grundsätzlichen Korrelationen zwischen den Sensorsignalen und den Augenbewegungen simuliert und dann auch in einem entsprechenden Versuchsaufbau messtechnisch verifiziert. In einem zweiten Schritt stand dann die Analysesoftware an. Leider verfehlten wir dieses Ziel, aber wir haben erkannt, warum und konnten darauf nach Abschluss des Forschungsprojektes weiter aufbauen. Inzwischen funktioniert die Analysesoftware sehr gut.
 

Forschende gehen meist anders an ein Projekt heran – wie war das für Sie als Praktiker?

GERHART SCHROFF: Die Zusammenarbeit mit dem FZI war sehr gut. Man war dort sehr aufgeschlossen und offen für neue Ansätze. Im industriellen Umfeld ist das leider oft nicht so.
 

Herr Hess, an welchem Punkt sind Sie dann eingestiegen?

SEBASTIAN HESS: Im Frühjahr 2022, als ein funktionierender Prototyp da war. Wobei man sagen muss, dass das nur ein Funktionsprototyp war, mit offener und voluminöser Elektronik, also noch weit weg von einem anwendungstauglichen Produkt.
 

DQBD ist unter anderem für Design von Sportprodukten bekannt.

SEBASTIAN HESS: Ja, aber wir haben auch schon Medicalprodukte gestaltet. „Somnosync“ war zwar thematisch neu, aber die Systematik der Herangehensweise ist bei allen Produktarten recht ähnlich und stets sehr user-centered. Wir sind gewohnt, neue Lösungen anzugehen und mit spezifischen sowie teils extremen Anforderungen vertraut. Das gehört im Sportbereich zum Alltag.

GERHART SCHROFF: DQBD hat in der Vergangenheit eine kamerabestückte Brille für Rollstuhlfahrer:innen gestaltet, das hat uns gezeigt, dass das Büro weiß, wie man so etwas macht und die Ergonomie im Griff hat.
 


„Somnosync“ funktioniert trotz unterschiedlicher Schlafpositionen und Kopf-Geometrien perfekt.
 

Was war für Sie also die primäre Herausforderung?

SEBASTIAN HESS: Die Hürden für die User sollten so minimal wie möglich sein. Das bedeutete primär Bauraumreduzierung, eine kompaktere und leichtere Hardware, die trotz unterschiedlicher Schlafpositionen und Kopf-Geometrien perfekt funktioniert. Wir haben also gemeinsam die Hardware neu entwickelt, die Platinen optimiert und das Gehäuse verschlankt. Es gab sehr viele Details zu berücksichtigen, dazu gehört auch die Integration von Öffnungen, um Feuchtigkeit aus dem Inneren herauszuleiten.

GERHART SCHROFF: Das war eine sehr intensive Kooperation, bei der stets die Produktionskosten, die Montage und die Zugänglichkeit der Komponenten im Blick blieben. Sehr wichtig war ein technischer Aspekt: der Potenzialausgleich zwischen Maske und der Haut, um Fehlmessungen zu verhindern.

SEBASTIAN HESS: Wir haben das schließlich über den Nasenhöcker geschafft, der aus einem flexiblen, leitfähig beschichteten Material besteht. Dafür drehten wir einige Runden. Das Resultat sind mehrere, individuell passende und einklickbare Exemplare.

Apropos Produktion: Das Konzept ist so ausgelegt, dass wir das Gehäuse samt Rahmen zunächst additiv und später auch per Spritzguss herstellen können.
 


Gerhart Schroff (Diplom-Physiker und Geschäftsführer der Gemtec Laseroptische Systeme GmbH) und Sebastian Hess (Gründer und Geschäftsführer der DQBD GmbH) erörtern ihre Erfolgsgschichte.
Foto: Armin Scharf
 

Ein solch komplexes Produkt sollte ja auch getestet werden, um optimal ausgelegt zu sein.

GERHART SCHROFF: Wir haben, beginnend mit dem Prototypen, in allen Entwicklungsstufen Testings durchgeführt, bei uns im Betrieb und im weiteren Umfeld. Dabei ging es uns vor allem um die Usability und den Tragekomfort.
 

Wie geht es nun weiter?

GERHART SCHROFF: Wir planen zwei Produktlinien, die eine mit medizinischer Ausrichtung, also für Schlafdiagnosen. Dafür suchen wir noch einen Vermarktungspartner, der in diesem Marktsegment etabliert ist und auch die Zulassung als Medizinprodukt beherrscht.

Die andere Linie wendet sich an die Forschung, also an Institute, die ein leicht nutzbares Tool für Studienzwecke benötigen. Wir werden im Sommer 2024 die ersten Systeme anbieten, momentan müssen wir noch ein paar kleinere Anpassungen machen.
 

Und das Thema Klartraum?

GERHART SCHROFF: Den behalten wir natürlich im Blick, erste Anfragen zu dieser Nutzung haben wir bereits erhalten. Den ersten Baustein dazu haben wir ja in Form der Maske. Jetzt geht es darum, wie die Interaktion mit der schlafenden Person stattfinden kann, also die Träume so laufen, dass dabei Glückshormone ausgeschüttet werden. Das ist noch ein gutes Stück zu gehen, aber wir sind auf dem Weg. Irgendwann können Sie im Schlaf dann reale Erlebnisse aus der Vergangenheit abrufen, dabei scheinen Sie in der Realität zu sein. Wenn Sie beispielsweise im Klartraum Bewegungsabläufe trainieren, wirkt sich das auch physisch positiv aus. Sportler:innen können so ihre Leistungsfähigkeit steigern. Oder stellen Sie sich vor, sie sind in einem Alter, in dem sie auf Ihren geliebten Sport verzichten müssen – im Klartraum können Sie den wieder ausüben, inklusive Glücksgefühlen. Das steigert die Lebensqualität!

GLOSSAR


REM
Bezeichnet eine Schlafphase, die in der Diagnose und Therapie eine wichtige Rolle spielt. Charakteristisch für diese Phase sind besonders schnelle Augenbewegungen mit kleiner Amplitude und Bewegungen der Augenlider.

POLYSOMNOGRAFIE
Verfahren zur Erfassung und Analyse der Schlafphasen, verbindet Elektroenzephalogramm (EEG) mit Elektrookulogramm (EOG) und Elektromyogramm (EMG). Die Polysomnografie lässt sich nur im Schlaflabor durchführen und ist nicht in der Lage, die schnellen REM-Augenbewegungen zu erfassen.

SSC-TECHNIK
Scleral Search Coil. Ein invasives Verfahren, bei dem gut haftende Kontaktlinsen direkt auf die Hornhaut des Auges gebracht werden. Die Linsen verfügen über integrierte Induktionsspulen und müssen verkabelt werden.

FORSCHUNGSPROJEKT
Die Somonosync-Grundlagen wurden im Rahmen des ZIM-Förderprogramms durch das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt (ZF 4050001 DB5). Forschungspartner war die Abteilung „Embedded Systems and Sensor Engineering“ des Forschungszentrum Informatik (FZI) des KIT in Karlsruhe.

KLARTRAUM
Auch luzides Träumen genannt. Hier geht man davon aus, dass das Gehirn im Traum zu Wahrnehmungen kommen kann, die im Wachzustand und in gewöhnlichen Träumen nicht erfolgen. Das bedeutet, im Traumzustand die Wahrnehmung erweitern zu können. Die Fähigkeit zu Klarträumen ist eine individuelle Eigenschaft und nicht bewusst steuerbar. Die schnellen Augenbewegungen der REM-Phase können als ein Indiz für die Klartraum-Phasen herangezogen werden.

 

GEMTEC Laseroptische Systeme GmbH

Der Diplom-Physiker Gerhart Schroff ist Geschäftsführer der Gemtec Laseroptische Systeme GmbH in Winnenden bei Stuttgart. Sein vierköpfiges Team entwickelt seit über 30 Jahren kundenspezifische Lösungen für Dichtigkeitsprüfungen in industriellem Kontext. Mit „Somnosync" betritt das Unternehmen ein neues Geschäftsfeld.

gemtec-online.com
somnosync.com

DQBD GMBH

Sebastian Hess hat an der HfG Offenbach studiert und gründete 2014 die Schorndorfer Designagentur DQBD GmbH – inzwischen mit einem produktionsorientierten Ableger in Taiwan. DQBD arbeitet für internationale Brands, insbesondere in den Bereichen Sportartikel, Footwear, Medical and Healthcare, persönliche Schutzausrüstung sowie Workwear. Zu den besonderen Schwerpunkten gehören Produkte rund um den Bikesport, der auch vom Team gelebt wird.

dqbd.de