Interview: Armin Scharf
Fotografie: Pozsgai Möbelschreinerei / Christoph Düpper und Matthias Wolpert

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Pozsgai Möbelschreinerei ERFOLGSGESCHICHTEN
Handwerk und Gestaltung

Einfach, aber raffiniert: Raphael Pozsgai entwirft archetypische Stühle, Tische und Hocker, die traditionelle Vorgänger in die Jetztzeit bringen.

Der „Tau“ ist auf den ersten Blick ein Hocker. Wer sich mit dem kleinen Vierbeiner beschäftigt, stellt aber bald fest, dass „Tau“ ein universeller Begleiter sein kann. Er ist im besten Sinn multifunktional, obwohl – oder gerade – weil er so simplifiziert gedacht ist. Das gilt auch für die Fixierung der Beine, die mit einem Seil so verspannt werden, dass sie sicher sitzen. Raffinesse und Reduktion finden hier großartig zusammen. Kein Wunder, dass „Tau“ 2023 mit dem FOCUS Gold prämiert wurde.

Ein Gespräch mit Raphael Pozsgai über Handwerk und Deisgn, Inspiration und Käferholz.
 

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Lieber Herr Pozsgai. Wir sitzen hier in Ihrem Büro auf Barhockern namens „Angus“, die Sie selbst entworfen haben. Und nebenan singen die Sägen Ihrer Schreinerei. Fühlen Sie sich eher als Handwerker oder Gestalter?

RAPHAEL POZSGAI: Ganz klar als Handwerker. Ich komme aus dem Handwerk, bin Schreinermeister. Das Handwerk ist für mich die Grundlage aller Gestaltung, das ist wie ein Kreislauf. Die handwerklichen Aspekte schaffen Optionen für die Gestaltung – und umgekehrt genauso. Produktion, Konzeption und Gestaltung findet sozusagen parallel statt, direkt hier. Das hat sich bei mir zu einer Leidenschaft entwickelt, das ist sehr spannend. Und wenn man dann auch noch Designpreise für seine Arbeit bekommt, spornt das natürlich an. Außerdem dient es dazu, ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen.
 


Unser Interview-Partner Schreinermeister Raphael Pozsgai.
 

Inwiefern?

RAPHAEL POZSGAI: Nun, unser Hauptgeschäft sind immer noch klassische Innenausbau-Arbeiten und die Fertigung individueller Möbel für Privatkunden. Hier in der Region gibt es viele Schreinereien, die so aufgestellt sind. Über die prämierte Gestaltung und ausgeklügelte Herstellungstechniken können wir uns differenzieren und als Betrieb positionieren, der auf der ästhetischen Höhe der Zeit ist.
 

„Angus“, „Tau“ und der „Tübinger Stuhl 2.0“ – sind das bereits Serienprodukte?

RAPHAEL POZSGAI: Im vergangenen Herbst haben wir für zwei Kunden zusammen 150 Exemplare des „Tübinger Stuhl 2.0“ produziert, so viel wie noch nie. Diese Serienproduktion lief reibungslos, selbst mit unserem kleinen Vierer-Team. Wir können also skalieren, das war für mich eine wichtige Erkenntnis, denn eigentlich brauchen wir solche Stückzahlen, um wirtschaftlich zu sein. Mit Privatkunden allein, die vielleicht vier Stühle ordern, klappt das leider nicht.
 


Der „Tübinger Stuhl 2.0“ (am Tisch „Angus“).
 

Das heißt, Sie produzieren stets auf Bestellung?

RAPHAEL POZSGAI: Jein. Vom „Tau“-Hocker haben wir Sitzflächen in mehreren Exemplaren pro Farbe hier. Die lassen sich leicht lagern und dann schnell mit den anderen Bauteilen ergänzen. Künftig wollen wir von jedem Möbel und jeder Farbe zwei bis drei Exemplare auf Vorrat herstellen, damit wir kurzfristig liefern können, wenn jemand über unseren Webshop bestellt.
 


Der Hocker „Tau“ (mit Griff in der Farbe „Aquavert“).
 

Damit wären wir beim Vertrieb, oftmals die schwierigste Aufgabe. Wie halten Sie es damit?

RAPHAEL POZSGAI: Ehrlich gesagt ist das auch unser Engpass. Wir versuchen natürlich, sichtbarer zu werden, dazu tragen die Awards und auch unser Webshop bei. Aber man muss Geduld haben oder viel Geld und Zeit investieren. Für letzteres fehlen uns die Kapazitäten, also sprechen wir gezielt Architekten, Planer und auch Privatkunden an. Die Schiene über den klassischen Möbelhandel ist erfahrungsgemäß sehr schwierig.
 

Nochmals zurück zur Gestaltung. Wie gehen Sie vor?

RAPHAEL POZSGAI: Ich versuche das an zwei Beispielen zu beschreiben. Der „Tübinger Stuhl 2.0“ ist eine Neuinterpretation eines weit verbreiteten Wirtshausstuhls, dem ich schon in Jugendjahren ganz selbstverständlich begegnete. Irgendwann bin ich dann auf die Geschichte dahinter gestoßen und habe mich dann mit den Details beschäftigt. Der Stuhl erscheint auf der einen Seite ganz simpel, ist dennoch höchst funktional. Schaut man genau hin, dann sind die durch die Sitzfläche gesteckten Beine ziemlich raffinierte Details. Die Idee war nun, neue Materialien für die Sitzfläche zu nutzen und so diese besondere Konstruktion hervorzuheben. Das kann man auch als Redesign bezeichnen.

Für den Unterbau des Tisches „Ramus“ ließ ich mich von den baumartigen Tragwerken eines Flughafen-Terminals inspirieren. Diese Formensprache hat mich so gefesselt, dass ich sie unbedingt umsetzen wollte. Das war dann gar nicht so einfach, weil es das Risiko in sich trägt, zu formal zu werden.
 


Der Tisch „Ramus“ (mit vom Flughafen-Terminal inspiriertem bauartigen Unterbau).
 

Wann ist ein Entwurf für Sie gelungen?

RAPHAEL POZSGAI: Im Idealfall zaubert die direkte Verbindung aus bekannten und neuen formalen Aspekten ein Schmunzeln in das Gesicht der Betrachter. Das Wesen eines Objektes muss erkennbar bleiben, die Umsetzung und auch die Materialien können anders sein. „Tau“ ruft häufig eine Art Déjà-vu hervor, weil viele Menschen sich dann an Hocker oder Schemel von einst erinnern.
 

Sie arbeiten auch mit Käferholz aus dem Schwarzwald, also Holz von Bäumen, die vom Borkenkäfer befallen sind und gefällt werden müssen.

RAPHAEL POZSGAI: Richtig. Das Holz liegt quasi vor unserer Haustüre und will sinnvoll genutzt sein. Wir haben damit schon mehrere hochwertige und nachhaltige Innenausbauten realisiert. Da die Borkenkäfer nur unmittelbar unter der Rinde agieren, ist der Kern des Stammes voll nutzbar. Im Produktbereich lässt sich da noch viel machen – allerdings bedarf es vielen Erklärungen. Denn die Fraßspuren sind ja nicht mehr sichtbar, auf unseren Messerblocks steht zwar Käferholz drauf, aber die Optik ist identisch mit normalem Holz. Ich dachte ursprünglich, die Nachfrage nach Käferholz-Produkten würde durch die Decke gehen, aber das blieb bislang leider aus. Käferholz ist nach wie vor ein tolles Thema, aber braucht noch Zeit, um im Markt anzukommen.
 

POZSGAI MÖBELSCHREINEREI

Schreinermeister Raphael Pozsgai entwickelt und produziert in seiner Heitersheimer Schreinerei südlich von Freiburg Möbel, die traditionelle Vorbilder mit zeitgemäßen Elementen verbinden. Zusammen mit anderen Handwerkerinnen und Handwerkern und Planerinnen und Planern der Weißtannenraum-Gruppe setzt er sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der regionalen Bau- und Handwerkskultur ein. 2023 erhielt sein pfiffiger Hocker „Tau“ den FOCUS Gold, 2020 wurde bereits sein „Tübinger Stuhl 2.0“ mit dem FOCUS Special Mention ausgezeichnet.


pozsgai.de

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