Design für Schwerlast

ROTZLER HOLDING GmbH + Co.KG mit Defortec GmbH

Text: Armin Scharf I Fotos: Rotzler Holding GmbH + Co.KG[T1] , Benjamin Stollenberg

Eigentlich sind schwere Seilwinden für Nutzfahrzeuge reine Engineering-Projekte. Zumindest bisher. Rotzler, süddeutscher Spezialist für Windensysteme setzt auf das differenzierende Potenzial professionellen Industriedesigns. Mit Erfolg.

Rotzler bewegt sich mit seinen Systemen in einem globalen, kostensensiblen Markt. Funktionale Innovationen und Optimierungen bestimmen daher schon lange die Entwicklungsansätze des Unternehmens aus dem Südschwarzwald. Mit der Konzeption der neuen Windenfamilie „Tarvos“ wurde dann vor einigen Jahren erstmals das Design zum Thema. „Design hilft uns, dem Marktdruck zu begegnen und uns im Wettbewerb abzusetzen“, so Alexa Frey, Produktmanagerin Rotzler Holding. „Und zusätzlich sollte sich die neue Winde auf den ersten Blick von unseren eingeführten Produkten absetzen.“


Der Weg zum Design

Also ging man auf die Suche nach dem passenden externen Designbüro, die erste Station war der VDID (Verband Deutscher Industriedesigner), der sogleich an das Design Center Baden-Württemberg, beziehungsweise dessen Service „Design 1st Beratung“ verwies. Dieses Programm richtet sich an Unternehmen, die Design erstmals implementieren wollen und unterstützt bei der Briefing-Erstellung, liefert Hintergründe zum Designprozess und schließlich auch die Koordinaten von Designagenturen, deren Portfolio mit den individuellen Anforderungen zusammengehen. „Das war für uns eine wichtige Unterstützung“, so Alexa Frey im Rückblick. Sechs Jahre sind seitdem ins Land gegangen, inzwischen hat Rotzler nicht nur seine neue Seilwinde „Tarvos“ eingeführt, sondern im Anschluss auch eine Umlenkrolle zur Zugkraftverstärkung gleichen Namens. Verantwortlich für das Design der Produktfamilie mit ihren verschiedenen Varianten zeichnet das Büro Defortec in Dettenhausen bei Tübingen. Stefan Grobe und sein Team sind auf Investitionsgüter spezialisiert. „Wir haben uns verschiedene Angebote eingeholt, das von Defortec hat uns überzeugt“, erinnert sich die Produktmanagerin. „Wichtig war für uns, dass man bei Defortec unsere Anforderungen sowie das Volumen des Projektes schnell erkannt hat. Das hat uns die nötige Sicherheit vermittelt“.


Von der Winde zur Umlenkrolle

2016 wurde die hydraulische Seilwinde „Tarvos“ erstmals auf der Messe Bauma gezeigt, im gleichen Jahr erhielt sie den Designpreis Focus Open Silver des Design Centers Baden-Württemberg. Und gleich darauf folgte das nächste Mitglied der Produktfamilie: Die bereits erwähnte Umlenkrolle. Da diese meist händisch zum havarierten Fahrzeug gebracht werden muss, spielt das Gewicht eine zentrale Rolle – das Limit liegt bei 23 Kilogramm. „Wir haben hart um die differenzierenden Details gerungen“, sagt Stefan Grobe rückblickend. Das Designteam hat sich mit den Kollegen der Entwicklung alle paar Tage abgestimmt und gemeinsam alle Details optimiert. Das wiederum war nur möglich, weil man die 3D-Daten austauschen und jeweils weiterbearbeiten konnte. „Wir haben uns auf Augenhöhe verständigt, sehr schnell und zielführend“, ergänzt Stefan Beyersdorff, verantwortlicher Entwickler bei Rotzler. „Wichtig ist, dass man als Konstrukteur offen denkt und die Designer als Teammitglieder annimmt.“

Bildquelle: Rotzler Holding GmbH + Co. KG
   
Tarvos I Hydraulikwinde                                                Tarvos 60 I Umlenkrolle


Intelligente Gewichtsminimierung

So erklärt sich, warum die Umlenkrolle nur ein Jahr nach Projektstart fertig war, dem Design blieben sogar lediglich sportliche drei Monate. Das Ergebnis überzeugt und erhielt wieder den Designpreis Focus Open, dieses Mal sogar in Gold. Und das nicht nur, weil die Expertenjury von der visuellen Erscheinung überzeugt war, die trotz – oder gerade wegen – der Gewichtsminimierung eine eigene Qualität zeigt. So leitet sich die Gestaltung aus den Kraftflüssen innerhalb der Rolle ab, wo nur kleine Kräfte wirken, konnte man Material wegnehmen, um in Bereichen großer Belastungen aufzustocken. Wie funktional das Design ist, zeigt auch ein Detail: einzelne, skulpturale Stege verteilen sich an den Flanken der Rollenfassung. Nicht etwa aus ästhetischen Gründen, sondern zum Schutz der Montageschrauben. Die sind zur Wartung unabdingbar, im Alltag jedoch stark gefährdet, weil das Hinterherziehen der Rolle auf abrasiven Untergründen die Schraubenköpfe rasch schwinden ließe. Die Stege verhindern genau diesen Gebrauchseffekt und tragen zur Langlebigkeit bei.

Fotograf: Benjamin Stollenberg
  


Umdenken bei den Prozessen

Während Rotzler seine Umlenkrollen bislang in spanabhebenden Verfahren produzierte, nutzt man nun ein Gussverfahren. „Damit wurden andere Designoptionen möglich“, sagt Stefan Grobe, „da wir in Freiformen denken konnten.“ Zugleich galt es, sich die Parameter des Verfahrens anzueignen, etwa die machbare Mindest-Wandstärke oder die Detaillierungsmöglichkeit – wichtig für die dreidimensionale Integration des Firmenschriftzuges. „Für uns war schon früh klar, dass wir auf Gießtechnik übergehen werden, wir haben unser konstruktives Knowhow entsprechend erweitert, neue Lieferanten gesucht und die Qualitätssicherung neu definiert“, so Beyersdorff.


Kostenfaktor Design?

Wird ein Produkt durch Design teurer? Eine oft gestellte Frage, bei der Beyersdorff den Kopf schüttelt. „Wir haben das Design zu einem ganz frühen Zeitpunkt hereingeholt, also in der Konzeptphase. Damit konnten wir das Potenzial voll nutzen und sogar eine Kostenreduktion erreichen.“ Beispielsweise durch eine vereinfachte Konstruktion: „Die beiden Seitenplatten, die die Umlenkrolle fassen, sind Gleichteile, das vereinfacht die Herstellung wie auch die Wartung“, erläutert Grobe die Strategie, die sein Team bei jeder Entwicklung berücksichtigt.
  

Was Rotzler empfiehlt:
• Gut strukturierte Angebote schaffen Sicherheit für den Auftraggeber
• Wird Design im Entwicklungsprozess früh genug implementiert, trägt es zur Kostenreduktion bei
• Volumenmodelle und Varianten sind für die Diskussion der konzeptionellen Ansätze wichtig
• Design muss sich auch mit der Geschichte eines Produktes und der Funktion auseinandersetzen
• Designer und Konstrukteure kommunizieren idealerweise auf Augenhöhe und nutzen kompatible digitale Entwicklungstools
• Als Konstrukteur sollte man Design-Vorschläge nie skeptisch, sondern bejahend begegnen

„Die Design 1st Beratung vom Design Center Baden-Württemberg war für uns absolut hilfreich und zielführend“
Alexa Frey, Produktmanagerin Rotzler Holding
„Das Design von neuer Winde und Umlenkrolle differenziert uns gegenüber dem Wettbewerb im preissensiblen Markt und auch von unseren bisherigen Produkten“ Stefan Beyersdorff, Vice President Design + Development Rotzler Holding

Weitere Infos zu den Unternehmen Rotzler Holding GmbH + Co. KG und Defortec GmbH