Text: Armin Scharf | Fotos: Alber GmbH
Die Mobilmacher
Wie hilft man Menschen mit körperlichen Einschränkungen mobil zu bleiben und an ihrer Umwelt aktiv teilzuhaben? Die Alber GmbH in Albstadt bietet intelligente Lösungen mit elektrischem Kern, die von externen Designbüros gestaltet werden. Dass Alber damit auf dem richtigen Weg ist, zeigen die vielen Gold-Auszeichnungen, die das Unternehmen regelmäßig beim Designpreis Focus Open erhält.
smoov one
2019 der aktuellste Preis: Wieder erhält Alber – dieses Mal zusammen mit dem UP Designstudio – den Focus Open in Gold. „Smoov one“ ist eine kompakte, andockbare Antriebseinheit für jüngere, sehr aktive Rollstuhlnutzer.
Die Schwäbische Alb ist kein wirklich fruchtbares Land – rein agrartechnisch gesehen. Dafür gedeihen hier ganz andere Dinge vortrefflich: Innovationen, Ideen, Technologien. Beispielsweise rund um Albstadt, einer Region, die einst von der Textilindustrie dominiert war, heute unterschiedliche Technologie-Hersteller versammelt. Einer der neuen Player wurde 1986 gegründet, damals mit fünf Mitarbeitern als eher handwerkliches Unternehmen, das einen motorischen Treppensteiger, das „Scalamobil“ entwickelte. Im Jahr 2019 ist die Belegschaft der Alber GmbH auf rund 300 angewachsen, gerade entsteht ein großes Entwicklungszentrum, in dem neue Mobilitätshilfen entstehen – für Menschen mit Behinderungen, aber auch für solche, die ihr Bike nicht allein ihren Muskeln überlassen wollen. Alber produziert elektrische Nabenantriebe und Schiebehilfen für Rollstühle, Zuggeräte wie den „E-Pilot“, der sich vorn an den Rollstuhl andocken lässt, nach wie vor das „Scalamobil“ oder das „Smoov one 010“ ein kompakter Zusatzantrieb für aktive Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen. Mit der Marke „Neodrives“ stieg Alber 2012 zusätzlich in den Markt der Elektroantriebe für Fahrräder ein – Kompetenzen bei der Entwicklung von Motoren, der Integration von Batterien und Steuerungen besaß man ja ausreichend.
Ausgezeichnetes Design in Serie
Regelmäßig wird Alber von den wechselnden Jurys des Designpreises Focus Open ausgezeichnet – für Design und Innovation. Aktuell erhielt die bereits erwähnte Unterstützung „Smoov one“ den Focus Open in Gold. „Smoov one“ soll als von Alber losgelöste Submarke vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen. Schwarz, kompakt, autark und schnell – so lässt sich die flexibel an- und abdockbare Antriebseinheit, die neben dem Radnabenmotor auch Batterie und Elektronik birgt, bezeichnen. Sie lässt sich vom Nutzer selbst andocken wenn er Unterstützung wünscht, etwa für lange Bergauffahrten oder längere, schnelle Ausfahrten. Die Leistung des Kraftpakets: Geschwindigkeiten bis zu 10 km/h und 20 Kilometer Reichweite. Entwickelt wurde es zusammen mit dem Stuttgarter UP Designstudio. Design hat bei Alber Tradition: „Am Anfang des Unternehmens spielte Design keine Rolle, was sich aber 1995 schlagartig änderte“, erklärt Bernd Engels, Leiter des Produktmanagements. Damals wurde das Familienunternehmen an eine Mittelstandholding verkauft, ein neues Management zog ein und brachte andere Sichtweisen mit. Seitdem ist das Design fix in den Entwicklungsprozess integriert – und zwar zu einem ausgesprochen frühen Zeitpunkt.
Erst das Design, dann die Konstruktion
„Wir starten eine Neuentwicklung mit einem mehrwöchigen Innovationssprint, daraus entsteht ein Grobkonzept, das auch schon erste Evaluierungen mit Kunden hinter sich hat“, so Thomas Müller, der als Produktmanager aktuell für die Konzeption des „Smoov one“ zuständig war. Doch anstatt anschließend wie üblich Engineering und Konstruktion zu aktivieren, involviert Alber zuerst das Design. „Damit kommt nochmals eine andere Perspektive hinzu“, sagt Bernd Engels, „das ist sehr befruchtend“. Auch, weil Designer in der Lage sind, Ideen schnell zu vergegenständlichen, sprich einfache Prototypen zu bauen, die „Diskussionen viel intensiver machen“. Nun könnte man annehmen, dass das Design von den Zwängen der nachfolgenden Konstruktion wieder einkassiert wird – dem ist aber nicht so. „Priorität hat das Design“, so Thomas Müller, „ist die Umsetzung konstruktiv nicht möglich, dann gehen wir nochmals einen Schritt zurück, bis alles stimmig wird“. Das Design, so Müller, bleibt bis zum Rollout des Produktes dabei, so können Detailfragen, Optimierungen und Anwender-Feedback unmittelbar einfließen.
Komplexe Anforderungen verbinden
Alber arbeitet ausschließlich mit externen Designbüros zusammen, drei sind es momentan, DesignGen aus München, Einmaleins aus Burgrieden und UP aus Stuttgart. „Uns ist eine langjährige Zusammenarbeit wichtig, weil unsere Produkte sehr speziellen Anforderungen und sehr breit gefächerten Anwendergruppen gerecht werden müssen“, so Engels. „Unsere Produkte müssen für Kinder genauso tauglich sein wie für den 99-Jährigen mit Schlaganfall. Es geht dabei um reduzierte Betägigungskräfte genauso wie um eingeschränkte Motoriken“. Gebrauchstauglichkeit und Zielgruppenwissen sind wesentliche Anforderungen an das Design und an die Gestalter, das wiederum setzt Lernkurven voraus, was den spontanen Wechsel zwischen Designbüros schwierig macht. Das Detail ist immer wichtig: „Wir legen beispielsweise großen Wert auf Bedienelemente, deren Größe und die taktile Rückmeldung oder auf die einfache Interpretation und Lesbarkeit des User Interfaces. Mitunter ist das schon eine gestalterische Herausforderung, dies an die Fähigkeiten der Nutzer anzupassen“.
Kleine Serien und geregelter Markt
Und noch etwas ist für Alber wesentlich: "Unsere Stückzahlen bewegen sich eher im Kleinserienbereich". Der jährliche Bedarf an elektrischen Rollstühlen schätzt Engels deutschlandweit auf 16000 Einheiten. Zwar ist Alber längst auch in anderen Ländern aktiv, auch in den USA und Kanada, aber die jährlichen Produktionszahlen der einzelnen Modelle sind in der Regel vierstellig. „Das hat natürlich Auswirkungen auf die Fertigungsmethoden, die wir wirtschaftlich nutzen können“, so Engels, „von einem guten Designer erwarten wir, dass er dies bereits bei der Konzeption berücksichtigt“. Wobei Alber im Wesentlichen ein Montagebetrieb ist und die von zumeist regionalen Zuliefern gefertigten Komponenten per Inselfertigung zusammensetzt.
Die Anforderungen dabei sind hoch, „wir produzieren schließlich Medizinprodukte, die absolut sicher im Gebrauch sein müssen“, so Engels. Dabei ist der Markt, den Alber bedient, ein „sehr geregelter Markt“. Sprich: Alber baut zu 98 Prozent Reha-Produkte, die in den Erstattungsbereich fallen. Krankenkassen, Rentenkassen, Berufsgenossenschaften oder Versorgungsstellen bestimmen über die so genannten Hilfsmitttelverzeichnisse, welche „ausreichend wirtschaftlichen“ Produkte in den Verkehr kommen. Design, so könnte man nun meinen, spielt in diesem Kontext keine Rolle. Doch im Gegenteil: Design optimiert nicht nur die Usability, es vermittelt auch Qualität, steht für Langlebigkeit und Investitionssicherheit. Und das überzeugt sogar Bürokratien.
Twion
Beim Focus Open 2014 erhielt Alber die Gold-Auszeichnung für den „Twion“, ein Antrieb, der aktive manuelle Rollstuhlfahrer unterstützt. Dazu werden die normalen Rollstuhl-Räder gegen die Twion-Räder ausgetauscht. In der Nabe sitzen Motor, Batterien und Steuerung (Design von DesignGen).
e-fix
Auch der „E—Fix 35“ ist als Unterstützung gedacht – 2015 wurde er von der Jury des Focus Open mit einem Silver-Award bedacht.
E-Pilot
2018 ist Alber beim Focus Open mit dem Zuggerät „E-Pilot“ dabei – und gewinnt den Gold-Award. Das Design stammt von DesignGen aus München.