Ergebnisse Mia Seeger Preis 2014
Im Rahmen von Focus Open
Am 18. März wurde über die eingereichten Arbeiten entschieden. Die Jury sprach insgesamt 4 verschieden hoch dotierte Preise sowie zusätzlich 4 Anerkennungen aus. Der soziale Nutzen sowie die Nachhaltigkeit der Produkte spielte neben den üblichen Designkriterien eine entscheidende Rolle.
An der Jury wirkten in diesem Jahr mit:
Prof. Karin Kirsch, Vorsitzende des Stiftungsbeirats, Stuttgart
Elke Weiser, Designerin, Weiser Design, Stuttgart
Matthis Hamann, Managing Partner, Lunar Europe GmbH, München
Armin Scharf, Freier Journalist, zwomp.de, Tübingen
Oliver Stotz, Industriedesigner, stotz-design.com, Wuppertal
Prof. Justus Theinert, Produktgestalter, Hochschule Darmstadt
Zur Mia Seeger Stiftung
Mia Seeger (1903 – 1991) war die „Grande Dame“ des Design. Mit der Weißenhofsiedlung 1927 in Stuttgart begann ihre Laufbahn. Bald war sie verantwortlich für weitere Ausstellungen des Deutschen Werkbundes. Die Bundesrepublik hat sie vielfach als Kommissarin zu Triennalen in Mailand entsandt und zur ersten Leiterin des Rat für Formgebung berufen, den sie zwölf Jahre lang führte. Sie war selbst keine Designerin, sondern Design-Vermittlerin und -Beraterin. 1986 rief sie die nach ihr benannte Stiftung ins Leben, deren Zweck die Bildung junger Gestalterinnen und Gestalter ist. Namhafte Sponsoren aus der Wirtschaft haben sich ihren Zielen angeschlossen.
Mit der Absicht, besonders den Nachwuchs im Design zu fördern und ihn dabei zur Auseinandersetzung mit sozialen Fragen aufzufordern, schreibt die Stiftung jährlich den Mia Seeger Preis unter dem Motto „was mehr als einem nützt“ aus. Preise und Anerkennungen beim Mia Seeger Preis sind hervorragende Referenzen für junge Designer, die unter anderem den Weg in den Berufseinstieg ebenen können.
Die Publikation im weltweit vertriebenen Jahrbuch sowie die Präsentation der ausgewählten Exponate bieten neben der finanziellen Förderung ein zusätzliches Plus für die ausgezeichneten Juniordesigner.
Mia Seeger Preis 2014
Daniel Dürr
A-6900 Bregenz
Daniel09duerr@gmail.com
Studium/Hochschule
Industrie-Design, Diplom 2013
Hochschule Darmstadt
Betreuung
Prof. Justus Theinert
Gesetzt, ein Chirurg hat eine heikle Operation unterm Mikroskop auszuführen. Dann bleibt keine Hand frei, dieses auch noch zu bedienen, und Fußschaltung irritiert arg. Wenn er seine Befehle doch rein mental einem Rechenknecht schicken könnte! Er trüge einen Speichenkranz auf dem Kopf, mit Elektroden dran, die seine Hirnströme durch die Kopfhaut messen; vom Sender auf seinem Scheitel gingen die Messwerte an den Rechner; und dieser wandelte die herausgefilterten Impulsmuster, die er zuvor vom Operateur hat lernen müssen, in Stellgrößen für die Servomotoren am Mikroskop um.
Jury:
Ein paar kräftige Takte Zukunftsmusik, doch am achtbaren Beispiel seriös durchdacht und mit feinem Spürsinn für Details gestaltet. Umsichtig ist ausgelotet, wie eine Schnittstelle zur „Gedankenübermittlung“ an den Computer aussehen und funktionieren könnte. Dabei wächst dem Begriff der intuitiven Bedienung ungewohnte Bedeutung zu. – Wenn aber die Zukunft nicht so kommen sollte, dann bleibt immerhin ein verbesserter „Kopffühler“ für ein ganz normales diagnostisches EEG. Patient und Assistenz dürften sich über den schönen Komfort freuen.
Mia Seeger Preis 2014
vivio - 3D-Druck von Hautsegmenten
Entwurf
Isabella Zidek
D-80992 München
Isabella.zidek@gmx.de
Studium/Hochschule
Produktgestaltung, B.A. 2014
Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd
Betreuung
Prof. Gerhard Reichert
Prof. Gabriele N. Reichert
Umur Sener
Großflächige Hautverletzungen, Verbrennungen zumal, sind oft entstellend. Transplantationen helfen zuerst medizinisch, kaum ästhetisch. Bioprinting wird dem Arzt ein Mittel zur Rekonstruktion größerer Hautpartien an die Hand geben: Ein 3D-Scanner erstellt eine exakte Wundkarte. Ihr folgend wird Zelle für Zelle auf die Wunde aufgebracht, jede an ihre Position in der ihr zugedachten Hautschicht. Die Druckerpatronen sind mit Tinkturen patienteneigener Zellen befüllt und nach Bedarf austauschbar. Der Arzt steuert und überwacht den Druckablauf am Tablet.
Jury:
Offensichtlich hat die Verfasserin ein hautmedizinisches Collegium hinter sich, ausgiebige Studien in Drucker-, Roboter- und Medizintechnik, die dem Entwurf schlicht und bündig einverleibt sind. Was am Gesamtbild erst eigenwillig erscheint, gibt sich schnell als in sich stimmige Komposition aus weichen, biomorphen und linear begrenzten Flächen zu erkennen. Nirgends gibt es scharfe Kanten. Unterstützt von vorwiegend hellen Farben und milden Kontrasten, vermittelt die Gerätegestalt dem Patienten Zuversicht in eine sorgfältige, behutsame Behandlung.
Mia Seeger Preis 2014
Offshore Cargo Management Concept
Entwurf
Armin Warnecke
D-24116 Kiel
mail@arminwarnecke.com
Studium/Hochschule
Industriedesign, B.A. 2014
Muthesius Kunsthochschule Kiel
Betreuung
Prof. Detlef Rhein
Prof.in Dr. Rosan Chow
Eigentlich will die Studie den globalen Frachtschiffsverkehr restrukturieren und ihn vollständig „elektrifizieren“. Dazu setzt sie am Feederschiff an: Im „Offshore-Hub“ beschickt es vom Containerhafen aus den weit vor der Küste liegenden Hochseefrachter; dafür reichen zwanzig Touren. Nach Sattelschlepperart besteht es aus Zugschiff und Lastkahn. Unterwegs auf der Fahrt entlang einer Offshore-Windkraftanlage lässt es sich von Speicherbooten „betanken“. Die Hoffnung ist, dass das Feederschiff einen Paradigmenwechsel in der gesamten Schifffahrt einleiten kann.
Jury:
Ein weitsichtiger Wurf, mutig und risikobereit, schon was die technische Machbarkeit angeht. Er setzt voraus, dass es ultraleichten Stahl, superstarke Elektromotoren, mächtige Speicher für Strom und diesen in Hülle und Fülle geben wird. Er reklamiert den ökologischen Wandel auf dem Wege einer breiten gesellschaftlichen Einsicht: endlich Abschied zu nehmen vom Dieselantrieb, der den Schifffahrtsbetrieb weltweit beherrscht, einer Dreckschleuder, davon wir Landratten kaum Ahnung hätten. Nun, alternativlos ist der gegenwärtige Güterschiffsverkehr also nicht mehr.
Mia Seeger Preis 2014
HEBIX - Mobile Hebehilfe
Entwurf
Jörg Saur
D-89520 Heidenheim
joerg.saur@hfg-gmuend.de
David Wojcik
D-73525 Schwäbisch Gmünd
david.wojcik@hfg-gmuend.de
Produktgestaltung
Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd
Betreuung
Prof. Dr. Jürgen Held
Wie oft passiert es, dass einer stürzt und kann nicht selbst wieder aufstehen; aber der andere kann ihn alleine nicht heben; und sonst ist keiner da. Eine Aufstehhilfe wäre nötig: Man klappt sie auseinander, platziert sie unter die angewinkelten Beine des Gestürzten, hebelt ihn in die Sitzposition und hilft ihm von Hand weiter in den Stand. Das experimentell bestimmte Abrollprofil der Seitenteile reduziert den Kraftaufwand um stattliche 60 Prozent. Die Ausführung in Holz mit Gurten liegt bei 12 kg und 150 Euro. Leichtere, teurere Varianten aus Kunststoff sind denkbar.
Jury:
Erstaunlich, welche Kraftersparnis! Das alles Entscheidende aber ist, dass zuvor ein Weg von der Liege- in die Sitzposition gefunden wurde, die dann stabil gehalten wird, bis der Rest wie das Aufstehen vom Stuhl geht. Ein ernstes Problem ist gelöst. Die Aufstehhilfe ist platzsparend aufzubewahren; Mechanik und Handhabung sind unkompliziert – kaum gesehen, schon gelernt. Zu Recht nimmt der Entwurf ein weites Einsatzfeld in Aussicht: private Wohnungen, Alters- und Pflegeheime, Krankenhäuser.
Mia Seeger Preis 2014 - Anerkennung
Funktionale Pflegeweste
Entwurf
Option8
Charlotte Bick, Bartosch Cylkowski, Philip Döbele, Andreas Goebel,
Marina Kalinina, Mandolin Maidt, Sebastian Meßner, Malte Pliszewski, Peter Schlickenrieder
c/o TUM, Lehrstuhl für Industrial Design
D-80333 München
Studium/Hochschule
Industrial Design (Master)
Technische Universität München
Betreuung
Prof. Fritz Frenkler
Dipl. Des. Sandra Hirsch
Wenn der Pfleger den Patienten hält, wo hält sich dann dieser? Dazu hat die Pflegeweste „Haltestellen“, die sich schwarz mit roten Markierungen vom Grau des Stoffs abheben. Die Griffe im Schulterbereich sind fürs Aufrichten gedacht, die seitlichen im Hüftbereich fürs gestützte Gehen oder Stehen. In Notsituationen, bei epileptischen Anfällen etwa, lässt sich der Verschluss der Weste per Seilzug entriegeln. Eine horizontal verschiebbare Tasche bietet Platz für Pflegeutensilien. – Die Weste ist eines von weiteren Ergebnissen eines Projekts für den ambulanten Pflegedienst.
Jury:
Schon beim bloßen Hingucken leuchtet der Nutzen ein. Halt geben und Halt finden fallen in eins. Leichter fällt es beiden Beteiligten, wenn der Gehaltene am Halten teilnimmt. Die Griffe an der Weste ermuntern ihn zum Mittun, und zur eigenen Anstrengung wird sich die Genugtuung gesellen, nicht ganz und gar hilflos zu sein. Offensichtlich wäre eine solche Weste für alle ambulanten und stationären Pflege- und Notfalldienste hilfreich und der Aufwertung dieser helfenden Berufe in ihrer Professionalität durchaus dienlich.
Mia Seeger Preis 2014 - Anerkennung
Clever Dressed - Kleidung für Menschen mit eingeschränkten motorischen Fähigkeiten
Entwurf
Juliane Huhn
D-06108 Halle (Saale)
julianehuhn@gmx.de
Studium/Hochschule
Industriedesign (BA)
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Betreuung
Prof. Frithjof Meinel
Dipl. Des. Stephan Schulz
Unfall, Krankheit, Gebrechlichkeit – jeder kann in die Lage kommen, dass er in gewohnter Weise sich nicht mehr anziehen kann. Geholfen wäre ihm, wenn seine Kleider zusätzliche Reiß- oder Knopfverschlüsse hätten, so dass er sie im Sitzen oder bei kaum abgewinkelten Armen selber anziehen respektive angezogen bekommen kann. An Second-Hand-Kleidern ausgearbeitet und erprobt, erfährt diese Idee ihre Bestimmung in einer eigenen kleinen Kollektion „Clever Dressed“, bestehend aus Wickelrock und -sweater für die Dame, aus Shirt, Hose und Jacke für den Herrn.
Jury:
Ein kluger Dreh. Die Anziehhilfe ist den Kleidern eingenäht und also praktisch unsichtbar gemacht. Damit öffnet sich das Konzept allen Betroffenen, und zwar in jedem Lebensalter, den Konservativen so gut wie den Modebeflissenen. Wie die Entwerferin – ganz ohne Scheu vor Biederkeit – demonstriert, lässt sich vorhandene Kleidung danach umarbeiten, neue danach schneidern. Wer sie trägt, dem wird sie so oder so nicht peinlich sein.
Mia Seeger Preis 2014 - Anerkennung
Sirex – Pendelhub-Bohrer für die orthopädische Chirurgie
Entwurf
Kiyoharu Nakajima
75175 Pforzheim
kiyo.haru@gmx.de
Studium/Hochschule
Integriertes Produktdesign, Diplom 2013
Hochschule Coburg
Betreuung
Prof. Anne Bergner
Dr. rer. nat. Oliver Schwarz
Bei jeder Hüftgelenk-OP muss der Oberschenkelknochen aufgebohrt werden – möglichst schonend, präzise und zügig. Dazu verhilft dem Chirurgen eine pneumatisch angetriebene Raspel, deren Dreiteilung dem Lege-bohrer der Holzwespe abgeguckt ist. Die davon inspirierte selbst-grabende Mechanik und ein spezieller Pen-delhub-Rhythmus reduzieren deutlich den Druck auf den Knochen. In allen Stadien des Lebenszyklus beweist die Modulbauweise ihre Vorzüge, bei Montage, Reinigung bzw. Sterilisation, Inspektion, Reparatur, zuletzt bei der Wiederverwertung.
Im Kern ein Treffer per Bionik. Alles drumherum erscheint bündig und formstreng abgeleitet: die glattflächige Gehäuseform mit nur zwei Bedienelementen (Schalter und Raspel-Kupplung); die klare Gliederung in Werk-zeug, Antrieb und Zuleitung; der markante Knick, der die Haltung der Hände definiert. So kann der Chirurg das Instrument nicht nur präzise führen, sondern spürt auch an kleinsten Vibrationsschwankungen Unter-schiede in der Knochenkonsistenz. Gut gerüstet steigert er die Qualität seiner Arbeit, was der Heilung nur förderlich sein kann.
Mia Seeger Preis - Anerkennung
REED – Rettungssystem für Lawinenunglücke
Entwurf
Alvaro Witt
D-64293 Darmstadt
alvi.witt@gmx.de
Studium/Hochschule
Industriedesign
Hochschule Darmstadt
Betreuung
Prof. Justus Theinert
Ein Schwarm Lichtspeere hilft helfen. Aus der Luft über dem Lawinenfeld abgeworfen, bohrt sich ihre Spitze in den Schnee. Ein Detektor sendet von dort aus rundum Suchsignale aus und empfängt reflektierte Signale von Verschütteten. Die LED-Leuchte am oberen Ende des Stabs meldet den Fund. Und das Display zeigt den Rettern die entscheidenden Daten von Verunglückten an: Richtung, Tiefe und Anzahl. Der Wurfstab ist aus elastischem Kunststoff und dient am Fundort auch zum Sondieren per Hand.
Jury:
Streng im Dienst des Suchtrupps. Der Speer und die ihm einbeschriebene Rettungsstrategie versprechen, dass alles schneller geht: Anflug mit dem Helikopter und Abwurf der Stäbe. Die breite Streuung ist darauf angelegt, dass möglichst alle Verunglückten gefunden werden. Lichtmarkierungen grenzen dann die indivi-duellen Unfallstellen gut sichtbar ein, und die Kerninformationen am Display helfen schließlich bei der genauen Ortung der Verschütteten. Voraussetzung ist natürlich, dass sie einen Signal-Reflektor bei sich haben.