Interview: Armin Scharf
Fotos: Klöber GmbH
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Klöber GMBH INTERVIEW
„RECYCLATE BEWUSST NUTZEN!“

Wie lassen sich Produkte nachhaltiger konzipieren? Mit Recycling-Materialien, sagt der Stuhlproduzent Klöber und nutzt Polypropylen aus Post-Consumer-Material.

Recycling ist eine wichtige Komponente hin zu einer nachhaltigeren, ja vielleicht sogar einmal vollständig kreislauffähigen Wirtschaft. Vieles spricht für die Wiederverwendung gebrauchter Materialien – der Austausch nativer gegen recycelte Werkstoffe hört sich zwar einfach an – stellt sich im Detail dann mitunter komplexer als gedacht dar. Vor allem dann, wenn man Kunststoffe im Blick hat, die als Abfälle aus dem Gelben Sack kommen. Die stoffliche Wiederaufbereitung der Post-Consumer-Materialien ist von großer Wichtigkeit, das hat auch Klöber aus Owingen erkannt. Der Anfang ist aber schon gemacht: das Unternehmen entwickelte Sitzschalen aus Polypropylen-Recyclat. Das ist gut, doch darf man dabei die anderen Produkt-Eigenschaften nicht vergessen. Sagt Thomas Möller, Geschäftsführer des Unternehmens im Interview.
 
 
 

Thomas Möller, Geschäftsführer Klöber GmbH
 

Kürzlich haben Sie im Rahmen der Ausstellung „EXPO RETHINK:DESIGN Klimarelevanz“ hier im Design Center gezeigt, was mit Materialien aus Recyclaten machbar ist. Um was ging es da genau?

THOMAS MÖLLER: Wir präsentierten zwei Produktfamilien. Erstens den Schalensessel „Wooom“, für dessen Sitzschale wir PET-Filz verwenden, der zu 60 Prozent aus Recyclat besteht. Dann war da noch die Variante des Meeting- und Kaffeestuhls „CoMeet“ mit einer Sitzschale aus Recycling-Polypropylen, das zu 100 Prozent aus Post-Consumer-Abfällen gewonnen wird, die auch aus dem Gelben Sack stammen.
 

PET-Filz taucht gerade häufig auf, was macht das Material so besonders?

THOMAS MÖLLER: Das PET wird in einem Nadelfliesverfahren zu flexiblen Matten verfilzt, welche dann unter Druck und Temperatur gepresst werden. So lässt sich eine Schale pressen, die zugleich auch das Trägermaterial ist und somit keine weiteren aussteifenden Komponenten benötigt. Hinzu kommt, dass dieses Trägermaterial zugleich auch das Endprodukt darstellt. Es werden also keine weiteren Materialien wie Schaum, Vlies oder andere Stoffe benötigt, um den Stuhl zu polstern. Wir benötigen also weniger materielle Ressourcen und können alles sortenrein trennen.
 


Der Schalensessel WOOOM besteht aus PET Filz und ist dank seiner hervorragenden technischen Eigenschaften verformbar, leicht, robust, schallabsorbierend und formstabil.
 

60 Prozent sind gut, 100 Prozent wären besser. Warum die Beschränkung?

THOMAS MÖLLER: Für das Nadelfliesverfahren und die Materialstärke benötigen wir einen Fasermix aus 40 Prozent einfacher Faser und 60 Prozent Bikomponentenfaser. Die besteht aus einer Kern- und Hüllenfaserkomponente, also aus zwei Fasern, für die es nach wie vor frisches, sogenanntes Virgin-PET braucht. Das ist der Kompromiss, den wir hinsichtlich Qualität, Umweltgedanken und Designanspruch eingehen.
 

Was hat Sie motiviert, diesen Weg einzuschlagen?

THOMAS MÖLLER: Das hat natürlich mit Haltung zu tun. Es geht darum, die Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen zu erhalten. Konkret wollen wir mit unseren Produkten dazu beitragen, die bereits gewonnenen Rohstoffe, also Kunststoffe oder Metalle, wieder einzusetzen und bei Neuproduktenwicklungen auf eine sortenreine Trennbarkeit achten.
 


Seit 2008 ist Jörg Bernauer Inhouse-Designer der Klöber GmbH.
 

Recyclat-Kunststoffe stammen meist aus industriellen Abfällen, also Produktionsabfällen. Sie hingegen greifen auf Recyclate aus Konsumentenabfälle zurück – warum?

THOMAS MÖLLER: Um unserer Nachhaltigkeits-Philosophie gerecht zu werden, setzen wir bewusst auf Werkstoffe, die am Ende eines Produktlebenszyklus standen. Daher greifen wir auf Post-Consumer-Quellen zurück.
 

Lässt sich das so einfach machen?

THOMAS MÖLLER: Post-Consumer-Recyclate sind erstens teurer, zweitens sind die Quellen für hochwertiges Material wie wir es benötigen, noch rar. Dennoch ist es uns gelungen, die Sitz- und die Rückenschale des „CoMeet“ zu 100 Prozent aus diesen Recyclaten herzustellen. Das drückt sich auch in der Farbe aus, die wir „simply Toupe“ nennen.
 

Umstellungen dieser Art hören sich einfach an, sind aber meist sehr anspruchsvoll.

THOMAS MÖLLER: Stimmt. Die Entwicklung der Produktfamilie „CoMeet“ dauerte, aufgrund der technischen Anforderung, Gestell- und Farbvarianzen rund zwei Jahre. Speziell die Materialentwicklung für die Recyclingvariante dauerte nochmals eineinhalb Jahre.
 

Was waren die Gründe dafür?

THOMAS MÖLLER: Bei der Produktentwicklung mussten wir die Eigenschaften von recyceltem PP berücksichtigen, um unseren Anspruch an Qualität und Langlebigkeit sicher zu stellen. Da recyceltes PP-Material eher kürzere Polymerketten aufweist als frisches PP unterscheiden sie sich in Stabilität und Flexibilität. Um die geforderten Werte für Stabilität und Flexibilität im Sitz und der Rückenschale zu erreichen, wurden die Teile bereits in der Designphase etwas verdickt und mit Glasfasern verstärkt. Auch der Prozess der korrekten Farbanpassung war aufgrund des recycelten Materials aufwendigerer.
 

Sie haben also viel Erfahrungen gesammelt. Was empfehlen Sie Unternehmen anderer Branchen, die ebenfalls Werkstoff-Umstellungen im Blick haben?

THOMAS MÖLLER: Betrachten Sie die Produktentwicklung bewusst und mit Weitsicht. Versuchen Sie nicht, soviel recyceltes Material wie möglich im Sinne der Vermarktung einzusetzen, informieren Sie sich, woher das Recyclat stammt. Fragen Sie nach den Lieferketten. Achten Sie darüber hinaus auf die Qualität, Langlebigkeit und Designbeständigkeit der Produkte.
 


„CoMeet“ Recyclate: Das Material für den Sitz und Rückenschale ist nach der European Certification of Plastics Recyclers (EuCertPlast) zertifiziert und erfüllt strenge Auflagen unter genauer Überprüfung und Bewertung.
 

Wie sehr rückt man neue, nachhaltigere Produkte in den Vordergrund der Kommunikation?

THOMAS MÖLLER: Das Interesse für dieses Thema ist groß, die Aufmerksamkeit wird sofort darauf gelenkt. Zugleich kommen auch sofort detaillierte Nachfragen, etwa nach der genauen Material-Quelle oder ob für das recycelte Post-Consumer extra Material hergestellt wird, um dann mit möglichst reinem recyceltem Material arbeiten zu können. Da müssen Sie dann Antworten liefern können. Und Sie sollten klar machen, dass es stets um die bestmögliche Kombination aller Faktoren geht: also um ökologische Aspekte wie Recycling oder C02-Emission, um Qualität, Materialität und Design.
 

Haben Sie schon über ein Rücknahme-Systeme für ausgediente Möbel nachgedacht?

THOMAS MÖLLER: Ja – wir arbeiten schon seit Jahren mit Unternehmen zusammen, die eine sortenreine Trennung der Produkte garantieren, um sie wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Daneben sind wir momentan dabei, eine Lösung für die Aufarbeitung unserer Modelle zu entwickeln, damit wir sie als Refurbished-Produkte wieder in den Markt bringen können. Da wir hier am Standort vom Stoffzuschnitt über die Mechanik-Montage bis hin zur Endmontage alles realisieren, werden wir schnell eine ehrliche Lösung anbieten.
 

Kurz noch ein anderes Thema. Sie setzen auf europäische, sogar heimische Lieferketten und eine hohe Fertigungstiefe. Was versprechen Sie sich davon?

THOMAS MÖLLER: Das hat für uns mit Authentizität zu tun. „Made am Bodensee“ funktioniert nicht, wenn die Teile fast ausschließlich aus dem nahen oder fernen Ausland kommen. Dank der Nähe zu unseren Lieferanten können wir zudem kurzfristig auf Marktgegebenheiten reagieren und bleiben jederzeit lieferfähig.
 

KLÖBER GMBH


Klöber wurde 1935 als „Gesundheitsstuhlfabrik“ von Margarete Klöber gegründet und widmet sich seitdem der Entwicklung und Produktion von hochwertigem Sitzmöbeln, primär für den Objekt- und Office-Bereich. Seit 1999 gehört das Unternehmen am odensee zur Sedus Stoll AG. Klöber zeichnet sich unter anderem durch eine ausgesprochen hohe Fertigungstiefe sowie einer regional und europäisch ausgerichteten Lieferkette aus. Außerdem gilt das Unternehmen als integrativer Betrieb, bietet also Menschen mit Einschränkungen Beschäftigung.

kloeber.com

FÜNF TIPPS VON THOMAS MÖLLER ZUM EINSATZ VON RECYCLATEN

  • Betrachten Sie die Produktentwicklung bewusst und mit Weitsicht
  • Versuchen Sie nicht, soviel recyceltes Material wie möglich im Sinne der Vermarktung einzusetzen
  • Informieren Sie sich, woher das Recyclat stammt
  • Fragen Sie nach den Lieferketten
  • Achten Sie immer auf die Qualität, Langlebigkeit und Designbeständigkeit der Produkte.