Interview: Armin Scharf, Fotos: code2design

Design und Innovation gehören zusammen

Seit Januar 2019 ist Michael Schmidt nicht nur Chef seines eigenen, 1996 gegründeten Designbüros code2design, sondern auch Innovationsmanager bei FSB, dem renommierten Hersteller von Türklinken und Griffen. Ein Spagat? Nein, sagt Schmidt, denn Innovation und Design sind zwei Seiten einer Medaille – und Designer als Innovationsmanager prädestiniert. Zum Beispiel, weil sie verschiedene Prozesse zusammenbringen und vor allem „Out-of-the-box“ denken können.
 


code2design
 

Herr Schmidt, wir wollen über Designmanagement sprechen. Brauchen KMUs mehr Designmanager oder Managerinnen?

Betrachtet man das kombiniert als Design- und Innovationsmanagement, dann auf jeden Fall. Erfolgreiche Innovation ist ein ganzheitlicher Prozess, den jemand federführend gestalten und die Menschen im Unternehmen mitnehmen muss. Denn oft geht es auch darum, Strukturen aufzubrechen, die sich über viel Jahre etabliert haben – das erfordert viel Sensibilität. Die Voraussetzung für Innovationsprozesse ist ein Konsens über die künftigen Innovationsfelder. Der klassische Produktmanager kommt da an seine Grenzen, weil ihn der Alltag zu sehr fordert. Man sollte sich aber nichts vormachen: dieser Prozess wirkt langfristig. Es reicht nicht, einmal eine Initialzündung zu platzieren, man braucht einen langen Atem und kontinuierliche Anstrengungen. Und dazu bedarf es eines offenen Mindsets im Unternehmen.
 

Wie kann ein Unternehmen mit begrenzten Ressourcen innovativ werden?

Im Grunde braucht jedes Unternehmen, unabhängig von seiner Größe Innovationstreiber. Ist nicht genug Manpower da, sollte man sich externe Unterstützung holen. Gehört ein Designer zum Team, dann kann dieser die Rolle übernehmen, weil er gelernt hat, ganzheitlich zu denken und daher alle relevanten Unternehmensbereiche und Prozesse verknüpfen kann. Übrigens gilt das für jede Branche, für den B2B- und auch für den Consumerbereich.



"Palito-Wall" SATTLER GmbH, Göppingen
 

Welche Fähigkeiten braucht ein Designer in der Rolle des Innovationsexperten?

Zunächst einmal muss er oder sie Teamplayer sein und, wie schon erwähnt, die unterschiedlichen Unternehmensebenen zusammenbringen. Dann kommt er nicht umhin, sich intensiv mit der Zukunft zu beschäftigen, sich einen Überblick über die unterschiedlichen Trends und gesellschaftlichen Entwicklungen zu verschaffen. Das heißt, es ist viel Quellenrecherche notwendig, bei Bedarf geht es dann in die Tiefe, wozu er oder sie branchenspezifisches Markt-, Technik- und Prozesswissen benötigt. Außerdem hilft der direkte Kontakt zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen weiter.
 

Sie sprechen aus eigener Erfahrung.

Ja, vor etwa zwölf Jahren haben wir Innovationsmanagement in unser Portfolio aufgenommen, weil ein Kunde diese Leistung von uns einforderte. Wir haben schnell gesehen, dass die Kombination Design und Innovation sehr effektiv ist. Wird das Design hingegen nicht involviert, kommt es oft zu Innovationen, die der Markt, sprich die Zielgruppe nicht braucht und zu Problemen beim Ausrollen der Innovation. Vor diesem Hintergrund entwickelten wir einen methodischen und systematisierten Prozess.
 


"Desinfektionsspender" Starmix
 

Nun sind Sie bei FSB selbst in die Rolle des Innovationsmanagers geschlüpft. Wieso?

FSB ist ein renommierter Hersteller von Beschlagslösungen für Türen und Fenster, der uns zunächst als externen Dienstleister an Bord holen wollte. Im Gespräch hat sich ergeben, dass das Inhouse-Design vakant wird und wir eigentlich stärker involviert sein sollten. Seit Anfang 2019 arbeite ich daher kontinuierlich für FSB vor Ort in Brakel. Inzwischen ist auch ein neuer Designer dabei, der sich um die konkreten Umsetzungen kümmert.
 

Sie kümmern sich also um übergeordnete Themen?

Richtig, vor allem geht es um die Implementierung des übergeordneten Innovationsprozesses und um die konzeptionelle Entwicklung konkreter Innovationen. Im ersten halben Jahr habe ich Workshops für Mitarbeiter*innen aus der Entwicklung, dem Marketing, dem Produktmanagement und Vertrieb durchgeführt, um den Prozess methodisch zu entwickeln. Das Ergebnis ist der „Produkt Innovations Prozess“, kurz PIP, der unter anderem die Entwicklungsschritte in einem sogenannten Stage-Gate-Prozess und die Verantwortlichkeiten in einer Matrix festlegt. Bei der Gelegenheit haben wir auch die FSB-Designkriterien formuliert sowie das Produktportfolio analysiert und geclustert. Mittlerweile haben wir auch einen Expertenpool aufgebaut, um zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Innovationsentwicklung Relevanzen sowie Akzeptanzen abzufragen.
 


"Schiebetürmuscheln" FSB Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG, Brakel


FSB kann auf eine Fertigungstiefe von über 95 Prozent verweisen. Lassen sich Innovationen so besser umsetzen?

Teilweise. Eine große Entwicklungsabteilung ist per se gut, um Innovationen voranzubringen. Geht es aber um Veränderungen in den Produktionsprozessen, kann die Fertigungstiefe mitunter bremsen. Aber weil die Produktion von Türdrückern viel Handarbeit benötigt, bleibt man flexibler als bei hochautomatisierten Abläufen. Nebenbei macht die Fertigungstiefe das Unternehmen resilient gegenüber externen Einflüssen. So hat FSB keine der aktuellen Probleme mit Lieferketten. Wenn Zulieferer dabei sind, dann handelt es sich um regionale Unternehmen.
 

Was reizt Sie an Ihrer Rolle bei FSB?

Es ist ungemein spannend, die Marke FSB auf diese Weise mitzugestalten und dank der Innovationen auch neue Themen- und Designansätze zu realisieren.
 

Bleibt da noch Zeit für das eigene Büro?

Ich arbeite im zweiwöchigen Rhythmus für FSB, dazwischen bin ich hier in Ostfildern an den eigenen Projekten dran. Voraussetzung ist, dass das Team im Studio mitzieht, wenn ich nicht da bin. Das funktioniert zu meiner Freude sehr gut, auch weil wir die Verantwortlichkeiten entsprechend nachjustiert haben.
 

Sie haben vorhin den Blick in die Zukunft angesprochen. Wohin entwickelt sich das Design künftig?

Ein extrem wichtiges Thema ist die Nachhaltigkeit, das nimmt mächtig an Fahrt auf. In der Designphase werden bereits wesentliche Eckpunkte festgelegt, daher beeinflusst die Gestaltung den CO2-Fußabdruck oder der Einsatz von Sekundärrohstoffen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir müssen uns diesen Herausforderungen stellen. Sind wir als Designer in die Innovationsprozesse eingebunden, können wir viel bewirken. So sollten wir grundsätzlich intensiv auf funktionale wie auch ästhetische Langlebigkeit der Produkte hinwirken.


"bbqubeX" OCQ, Esslingen

code2design

Michael Schmidt gründete code2design im Jahre 1996, nachdem er unter anderem bei Mercedes-Benz und DesignworX gearbeitet hat. code2design besteht heute im Kern aus vier Senior- und Junior-Designern, je nach Projekt ergänzen externe Berater und freie Mitarbeiter das Team. Im Fokus der Arbeit stehen Dienstleistungen rund um die Themen Produktinnovation und Industrial Design. Michael Schmidt ist Ingenieur und absolvierte nach der Diplomierung ein Aufbaustudium für Investitionsgüter Design an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.
www.code2design.de


Michael Schmidt