Interview: Armin Scharf I Fotos: Wiha

Innovation und Optimierung

„speedE“, der erste elektrische Schraubendreher kommt aus dem Schwarzwald – eine Innovation, die 2018 für Furore sorgte und seitdem als Benchmark nicht nur für Elektriker gilt. Wiha produziert Werkzeuge für Profis, darunter Schraubendreher, Zangen, Bit-Sets und Stiftschlüssel. Das inhabergeführte Unternehmen wächst seit etwa zehn Jahren stark und ist heute nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Asien präsent. 

Wir sprachen mit Stefan Kiefer, Head of Graphic, über Innovation, Profi-Anwender und den Beitrag des Designs zum internationalen Erfolg.
 
Wiha gehört zu jenen Unternehmen, die beim Focus Open regelmäßig ausgezeichnet werden. Wer entscheidet bei Ihnen über das Design?
Bei uns sind die Hierarchien ausgesprochen flach, der Austausch und die Designprozesse innerhalb der Abteilung und mit anderen Abteilungen laufen daher sehr effizient und unkompliziert. Gleichzeitig ergibt sich daraus ein hohes Verantwortungsbewusstsein bei allen Beteiligten – und der Ehrgeiz, das Optimum zu erreichen. Bei sehr großen Entscheidungen wird natürlich die Geschäftsleitung einbezogen.
 
Design, zumal erfolgreiches, braucht ein bestimmtes Bewusstsein im Unternehmen. Seit wann engagiert sich Wiha in Sachen Design?
Etwa seit Mitte der 1990er Jahre, damals hat Wiha vom Fraunhofer-Institut IPA eine primär ergonomiegetriebene Designstudie zu Schraubendrehern erstellen lassen. Daraus ging dann die Reihe mit Zweikomponenten-Griffen hervor, „Soft Finish“ genannt. Das war ein sehr nachhaltiges Projekt, denn wir produzieren diese Schraubendreher bis heute nahezu unverändert. 2015, also lange nach der Markteinführung von „Soft Finish“, prämierte der unabhängige Arbeitskreis Gesunder Rücken die Serie, weil sie ergonomisch beispielhaft ist. Gerade diese späte Auszeichnung hat uns ganz besonders erfreut.
 
Also steht die Ergonomie im Vordergrund?
Ja, tatsächlich. Das ist elementar, weil unsere Kunden professionelle Nutzer sind, die täglich mit den Werkzeugen arbeiten. An zweiter Stelle folgen aber bereits ästhetische Aspekte und schließlich das Branding. Wobei gerade das Branding an Relevanz gewinnt, damit wir beim Nutzer auch präsent sind. Früher haben wir unser Logo auf den Werkzeuggriff aufgedruckt, über die Jahre nutzte das allmählich ab, daher wussten die Anwender irgendwann nicht mehr, dass sie Wiha-Tools nutzen. Seit etwa drei Jahren arbeiten wir nur noch mit eingespritzten Logos, die dauerhaft sind. Damit stellen wir die Markenverbindung langfristig sicher.
 

Für den Bithalter “Liftup 260NE” erhielt Wiha 2017 den Focus Open Silver. Im Griff des Werkzeuges befinden sich 12 Doppelbits, die sich beim Herausfahren auffächern.
 
Der aktuelle Focus Open prämierte Ihr Stiftschlüssel-Set, ein im Grunde etabliertes Werkzeug. Wie gelingt es Ihnen immer wieder, die Dinge nochmals zu optimieren?
Ehrlich gesagt überrascht es uns selbst, was sich immer noch verbessern lässt. Das erwähnte Set bietet gleich zwei Optimierungen. Den Halter haben wir so konzipiert, dass beim Herausdrehen eines Schlüssels alle anderen synchron aufgefächert werden, was die Übersicht und Entnahme erleichtert. Zudem sind die einzelnen Schlüssel farbig gekennzeichnet. Das ist nicht wirklich neu, aber wir nutzen erstmals fluoreszierende Farben. So finden Sie die Schlüssel selbst in dunklen Umgebungen wieder. Wir denken prinzipiell sehr nutzerorientiert.
 
Wie stellen Sie die notwendige Nähe zum Markt sicher?
Wir arbeiten bereits lange mit einem ausgewählten Kreis von Profi-Anwendern zusammen, die für uns Prototypen und Ideen bewerten. Weil wir ein schonungsloses Feedback einfordern, sind wir ganz nah an den Usern.
 
Entstand so auch der elektrische Schraubendreher „speedE“, für den Sie 2018 ebenfalls mit dem Focus Open ausgezeichnet wurden?
Ja, das war ein Wunsch aus dem Markt. Als Elektriker kann ich bei der Verkabelung eines Schaltschrankes keinen normalen Akkuschrauber einsetzen, da die Verschraubungen mit einem ganz bestimmten Drehmoment angezogen sein müssen. Daher wurde bislang immer mit einem Drehmoment-Schraubendreher manuell gearbeitet, was natürlich sehr zeit- und kräfteraubend ist. Also haben wir lange an einer Lösung mit elektrischer Unterstützung gearbeitet. Das war herausfordernd, aber alle Beteiligten waren leidenschaftlich dabei. Vielleicht ist es das, was Wiha ausmacht: Wir tüfteln so lange und intensiv an einem Thema, bis wir das Optimum gefunden haben.
 
In welchem Entwicklungsstadium kommt dann das Design dazu?
Das passiert am Beginn, Technik und Design sind dann Hand in Hand zugange. Mitunter ist auch nur das Design involviert, wenn keine technischen Veränderungen anstehen.
 
Sie setzen dabei auf externe Designagenturen.
Richtig, vor allem dann, wenn es um neue Produktlinien geht. In der Vergangenheit haben wir mit verschiedenen Designagenturen zusammengearbeitet. Geht es aber um einzelne Produkte, dann läuft der Designprozess in der Regel inhouse, natürlich in enger Abstimmung mit der Technik. Damit haben wie sehr gute Erfahrungen gemacht.
 
Gibt es eine typische Wiha-Designsprache?
Ja. Wir setzen auf ganz reduzierte Formen, die ergonomisch sinnvoll sind. Harte und weiche Bereichen differenzieren wir farblich, was die Ergonomie erkennbar macht. Schwarz und Rot kennzeichnen unsere mechanischen Produkte, Rot und Gelb die elektrischen. Und natürlich ist unser Logo überall prägnant und – wie bereits erwähnt – dauerhaft integriert.
 
An welchem Thema arbeiten Sie momentan?
Wir sind schon seit einer Weile dabei, unsere Verpackungen von Blister auf Karton umzustellen. Bis Mitte 2022 soll dieser Prozess abgeschlossen sein. Das hört sich einfach an, aber wir mussten grundlegende Dinge klären. Beispielsweise zeigen Blisterverpackungen dem potenziellen Käufer, was er bekommt. Bei Karton sieht er das nicht mehr, also mussten wir eine neue Lösung entwickeln. Auch dabei hat uns ein externes Designbüro unterstützt.
 
Ist Design also für Wiha ein wichtiger Marktfaktor?
Wenn es entsprechend kommuniziert wird, dann beeinflusst gutes Design natürlich die Kaufentscheidung, auch im B2B-Sektor. Design ist ein selbstverständliches Element unserer Produktentwicklung geworden.
 

 
Und wie wichtig sind für Sie Designauszeichnungen wie der Focus Open?
Darauf sind wir immer sehr stolz, denn die Preise bestätigen unsere Arbeit und belohnen in gewisser Weise unsere Anstrengungen. Wir kommunizieren die Auszeichnungen entsprechend und sehen, dass sie für uns immer wichtiger werden, auch im Hinblick auf die jüngere Generation, für die Design selbstverständlich ist. Aber ganz wichtig: Das Produkt muss sich letztlich immer im Arbeitsalltag bewähren.

Wiha Werkzeuge GmbH

1939 von Willi Hahn in Wuppertal gegründet, zog Wiha 1943 nach Schonach in den Schwarzwald um, wo sich der Stammsitz noch heute befindet. Auch ist Wiha nach wie vor ein inhabergeführtes Familienunternehmen mit flachen Strukturen. Das Unternehmen entwickelt und produziert an verschiedenen Standorten primär Werkzeuge für anspruchsvolle Profis aus Industrie und Handwerk. Mit dem „speedE“ platzierte Wiha 2018 seinen ersten elektrischen Schraubendreher.
www.wiha.com


Erleichtert die Arbeit am Schaltschrank: Der 2018 ausgezeichnete E-Schraubendreher „speedE“ setzt neue
Benchmarks in der Elektriker-Branche.